Vorschlag

■ „Sportfilme“ im Arsenal

Das Wort „Sportfilm“ ging Kinemathekchef Ulrich Gregor nicht gerade leicht von den Lippen. Als Genrebegriff taucht es nur sehr selten auf. Die nimmermüden Akzeptanztrommler der Olympia GmbH haben sich die „Sportfilmtage“ als weiteren Coup ausgedacht, dem unwilligen Volk ihr Großspektakel schmackhaft zu machen. Nach der einmonatigen Retro gibt es im Juli einen Film- und Videowettbewerb zum weitschweifigen Thema „Sport–Körper–Bewegung“ sowie einen Lehrfilmwettbewerb nebst Symposium „Medien und Sport“, alles mit einem vorangestellten „international“, versteht sich.

Im Film ist der Sport so alt wie das Medium selbst. Schon in der ersten Stunde der laufenden Bilder konnten sich die Besucher des Berliner Wintergartens 1895 am flimmernden Kampf zwischen einem behandschuhten Känguruh und einem Boxer ergötzen sowie an zwei vom Reck fallenden Turnern (Max Skladanowsky: „Das boxende Känguruh/Komisches Reck“). Diese ersten Beispiele sind symptomatisch für den Stellenwert in der weiteren Spielfilmgeschichte. Der Sport dient meist nur als Vehikel. Seine Dynamik macht ihn zum mediengerechten Hintergrund für alle denkbaren Geschichten und Experimentierformen. Der Sport fand schnell Eingang in fast sämtliche Genres. Nahezu alle Slapstickhelden von Chaplin („The Champion“, 1915) bis Lloyd („The Freshman“, 1925) boxten sich durchs Leben. Später führt Groucho Marx als Collegedirektor seine Footballmannschaft mit anarchischen Listen zum Sieg („Horse Feathers“, 1932).

Sport eignet sich auch als ideale Metapher zur Darstellung individueller und sozialer Befindlichkeit. Indem er kurz vor dem Ziel aufgibt und damit den sicheren Sieg verschenkt, verweigert sich der Held in Tony Richardsons „Die Einsamkeit des Langstreckenläufers“ (1962) dem Erfolgsdruck einer bigotten Gesellschaft. „Die Angst des Tormanns beim Elfmeter“ (1971) gilt weniger dem Ball als der immer bedrohlicher werdenden Wahrnehmung der ihn umgebenden Wirklichkeit. Das harte Sportlerdasein spiegelt den Themenkatalog des Mainstreamkinos wider: Kampf um Anerkennung und sozialen Aufstieg, Geschichten von Erfolg und Fall, Zusammenhalt und verbissenen Ehrgeiz. Selbst so entlegene Disziplinen wie Kung-Fu, Sumo und Billard werden in der Retro bedacht. Manch leises ironisches Augenzwinkern ob der ausufernden Breite ihres Themas darf den Machern bei ihrer Auswahl durchaus unterstellt werden. Die Ambitionen gehen allerdings weit über die pure Auflistung von Sportarten hinaus. Unter dem Titel „Sport und Politik“ stehen von Leni Riefenstahls Olympia-Ode bis zur Kulturgeschichte des Körperbegriffs in den letzten hundert Jahren (Lorie Block, fit — episodes in the history of the body, 1992) mannigfache Beispiele auf dem Programm. Die bewegten Körper lassen sich in alle Ideologien biegen. Wenn es denn so etwas wie unabhängige Ausblicke gibt, dann am ehesten im nichtfiktionalen Bereich. Jean Vigo macht aus dem ungeliebten Angebot eines Kurzfilms über den französischen Rekordschwimmer „Taris“ (1919) ein ironisches Poem über die Schwerelosigkeit des nassen Elements.

Ein Jubelfest für Turnvater Jahn und seine Nachfahren ist die Bestandsaufnahme auf keinen Fall. Deshalb hat Ulrich Gregor auch keine Bauchschmerzen beim Gedanken, vor den Olympia- Karren gespannt zu werden: „Ich bin weder ein großartiger Befürworter noch ein großartiger Gegner der Olympia-Bewerbung.“ Eine Reihe wie diese sei vor allem dazu geeignet, Diskussionen in Gang zu bringen, und Mittel für umfangreichere Reihen stünden momentan nur noch im Rahmen von Großveranstaltungen zur Verfügung. Da müsse man eben zugreifen, wenn sich die Gelegenheit biete. Gerd Hartmann

Sportfilmreihe „Sport–Körper–Bewegung“: Noch bis zum 30.Juni im Arsenal. Spieltermine siehe Programmteil.