Frankreich: Operation „Null Einwanderer“

■ Innenminister Pasqua legt Vorschläge zur Immigrationspolitik vor / Neues deutsches Asylrecht als Vorbild / Nachzug von Familienangehörigen wird erschwert

Paris (taz) – Für den französischen Innenminister Charles Pasqua sind Einwanderer offenbar nichts weiter als gelegentlich nützliches Arbeitsvieh. Das eigentliche Ziel seiner Politik sind „null Einwanderer“, so Pasqua in einem Interview der Tageszeitung Le Monde vom Mittwoch, „doch natürlich ist das nicht realisierbar, weil unsere Wirtschaft möglicherweise hin und wieder diese oder jene Kategorie an Ausländern braucht“. Dennoch sei der völlige Einwanderungsstopp Ziel der Regierungspolitik.

Und damit seine Auffassungen nicht nur bei rechten und extrem rechten WählerInnen auf Beifall stoßen, verbrämt er sie: Schließlich diene die Beherrschung der Immigration nur der Integration der bereits regulär in Frankreich lebenden Einwanderer. Pasqua gibt sich als bloßes Sprachrohr der Bevölkerung: „Frankreich war ein Einwanderungsland, jetzt will es das nicht mehr sein“, so der Innenminister weiter. Auf solch populistischen Parolen beruht seine Beliebtheit bei vielen Franzosen; selbst Jean-Marie Le Pen, Chef der rechtsextremen Front National, dürfte dem nichts weiter hinzuzufügen haben.

Mit seinem unverblümten Interview macht Pasqua für seine neuen Gesetzesvorschläge „zur Beherrschung der Migrationsströme“ Stimmung, die er dem Kabinett am Mittwoch nachmittag vorstellte. Ziel ist es, die seit Mitte der 80er Jahre weitgehend gestoppte Einwanderung noch weiter zu reduzieren, die Grenzen für nicht genehme Einwanderer völlig abzudichten und all diejenigen aus Frankreich abzuschieben, die keine gültigen Papiere haben.

Derzeit lassen sich kaum mehr als 100.000 Menschen jährlich regulär in Frankreich nieder: Es sind ausgewählte Personen mit einer Arbeitserlaubnis, Familienangehörige und AsylbewerberInnen. Deren Zahl konnte Frankreich jedoch 1992 durch ein scharfes Verfahren auf nur 28.000 reduzieren. Da das für Pasqua offenbar immer noch zu viele sind, soll nun die Grenzpolizei ermächtigt werden zu entscheiden, ob ein Asylbegehren berechtigt ist oder nicht. Wie Deutschland, so will auch Frankreich alle AsylbewerberInnen zurückweisen, die aus einem als sicher betrachteten Drittland kommen oder aber in einem Teil ihres Heimatlandes „wirksamen Schutz“ finden können.

Erhebliche Barrieren will Pasqua für interkulturelle Ehen und Familiennachzug errichten. Falls ein Bürgermeister den Verdacht einer sogenannten „weißen Hochzeit“ erhebt, die einem Ausländer lediglich den französischen Paß verschaffen soll, kann er die Trauung um drei Monate verschieben und eine Untersuchung einleiten.

Den Familiennachzug, der heute schon zahlreichen Bedingungen unterliegt, will Pasqua erst erlauben, wenn sich der regulär in Frankreich lebende Partner bereits zwei Jahre hier aufgehalten hat. Falls der Bürgermeister grünes Licht gibt, soll es ihm dann erlaubt werden, die Familie – aber nur auf einmal – nachzuholen. StudentInnen sollen dieses Recht verlieren. Bei Trennung kann der Ehepartner seine Aufenthaltsgenehmigung künftig verlieren. Wer sich illegal in Frankreich aufhält, soll keine Krankenversicherung mehr erhalten – derzeit kommt es vor, daß AusländerInnen ohne gültige Papiere hier Sozialabgaben zahlen und entsprechende Leistungen erhalten.

Die „Gruppe zur Information und Unterstützung ausländischer Arbeitnehmer“ (GISTI) bezeichnete den Gesetzestext als „ausländerfeindliches Vorhaben zur Desintegration“. In seinem Wahn von „Betrug und Invasion“ mache der Staat „alle Ausländer zu Eindringlingen“. Das Parlament soll Ende Juni über die Reform beraten. Bettina Kaps