„Gelbe Karte“ für SPD-Senatoren

■ Streit ums Asylschiff auf dem Unterbezirksparteitag-West: Köpfe sollen rollen

SPD-Unterbezirksparteitage im Bremer Westen pflegen gegen 22 Uhr mit dem Hinweis, daß die Kollegen früh raus müssen, zu Ende zu gehen. Am Mittwoch abend war das anders: Die Frage, ob das Asylbewerberschiff im Kohlehafen festgemacht werden darf, stand auf der Tagesordnung.

„Es geht um mehr als das Schiff“, meinte Brigitte Dreyer vom Ortsverein Mitte. „Es geht grundsätzlich darum: Wie gehen wir mit unseren Beschlüssen um?“ Mit dem UB-Vorsitzenden Peter Sakuth weiß sie sich da einig. Bürgerschaftsfraktion, Landesvorstand, Ortsvereine, die sich gegen den Asylschiff-Standort Kohlehafen ausgesprochen hatten, „sind soviel Wert wie eine Pinwand“, rief er empört in den Saal beim Nachbarschaftshaus Ohlenhof. Immerhin waren langjährige SPD- Aktivisten wegen der Senats-Entscheidung ausgetreten. Deswegen der harte Antrag, der „bei Nichteinhalten der Parteibeschlüsse durch die SPD-Senatsmitglieder die entsprechenden Konsequenzen“ fordert. Auch nicht vorübergehend dürfe das Schiff mit den

So wird das Schiff aussehen: 111 Kabinen für je vier Personen

Asylbewerbern kommen. Die Genossen verstanden: Köpfe im Senat sollen rollen. Am Wochenende ist eine Klausurtagung, wo SPD-Senatsmitglieder und Landesvorstand ihre gegenseitigen Rechte klären wollen. „Das ist die gelbe Karte“, verdeutlichte Dreyer. Das sei nicht die Rache von ausgeschiedenen Senatsmitgliedern: „Auf meiner Schreibmaschine ist dieser Antrag getippt worden.“

Peter Sakuth erinnerte die Genossen daran, „daß da leider noch

ein Kollege von der schreibenden Zunft sitzt“ — und formulierte vorsichtiger: „Ich habe noch etwas Hoffnung, daß man uns ernst nimmt“. Dreyer: „Wir lassen uns nicht auf die Zuschauerbänke setzen.“ Delegierte stimmten ein: „Wir setzen hier Signale. Es geht nur mit uns, nicht gegen uns.“

Da stand eine mutige Frau auf und stellte sich dem Saal entgegen: Gisela Böhme, Beirat Walle. Kurz vorher war einmütig eine empörte Erklärung zu den Morden von Solingen verabschiedet worden — und die konkreten Asylbewerber wolle man im Stadtteil nicht haben? Warum hat denn niemand etwas dagegen, wenn dasselbe Schiff am Weserbahnhof liegt? Warum protestiert niemand gegen die Unterbringung im Zwingli-Bunker? Ist die weniger menschenunwürdig? Böhme: „Ich halte den Antrag für verlogen.“

Nur eine handvoll Delegierte sahen das auch so. Die zuständige Sozialsenatorin, SPD-Mitglied im Bremer Westen, hatte bei der ganzen Debatte still dabeigesessen und nahm vor der Abstimmung nur einmal kurz das Wort, um klarzustellen, daß das Schiff am 28. Juli kommen werde, und dann müsse es ja irgendwo festmachen. Auch das konnte die Delegierten nicht umstimmen. Die Frau aus Walle zog kurz vor 23 Uhr die Notbremse: Ist der Saal noch beschlußfähig? „Warum habt ihr den Antrag so spät aus der Tasche gezogen!“ beschwerte sich ein Delegierter gegenüber Brigitte Dreyer. Von 172 möglichen Delegierten zählte die zuständige Zählkommission nur 80 anwesend im Saal. K.W.