Hauptsache, das Brot ist fettig

■ Wiglaf Droste hat schon wieder ein neues Buch geschrieben

Ach, ist der Wiglaf Droste gemein. Nun hat er schon wieder ein Buch geschrieben, über das sich viele grundgute Menschen heftig ärgern werden, weil Droste aus heiterem Himmel erbarmungslos über sie herfällt. Korrupte Wirtschaftsminister wie Möllemann, Landsertypen wie Lothar Matthäus, Kreuzberger Lumpenproletarier mit Riesentöle, Adolf II. Krause, Winnetou mit Tagescreme, Werbemann Michael Schirner und Aldi-Blaubandmargarine („Hauptsache, das Brot ist fettig“), Dummschwätz Engholm und Schmierlapp Boehnisch – niemand wird verschont.

Aber Droste prangert auch politische Entwicklungen an, zum Beispiel die fast unbemerkt voranschreitende Braunschweigisierung Finnlands. Aktuell ist leider nach wie vor seine Einschätzung der verweizsäckerten Lichterkettengänger, die sich nach den Morden von Solingen wieder öffentlich Spitzennoten für gutes Betragen ausstellen: „Wer sich mit der Selbstverständlichkeit, daß er das Anzünden und Totschlagen von fremden Menschen scheußlich findet, im Brustton des eigenen notorischen Gutseins auf die Straße stellt, muß jedes Gespür für Peinlichkeit verloren haben.“ Denn der Zweck der Lichterketten, schreibt der ehemalige Mofapfarrer Droste, ist eben nicht ein antirassistischer, sondern ein rein kosmetischer: „Die Politur des Deutschland-Bildes fürs Ausland.“

Auf Seite 35 gesteht Droste endlich, daß er Nasenflöten liebt – vor allem, wenn der „Grindchor“ darauf die Internationale, das Horst-Wessel-Lied und den Ententanz spielt. Übrigens, Wiglaf, kann man chinesische Nasenflöten noch zu etwas ganz anderem benutzen: Der bekannte Belfaster Anarchist John McG. pflegte sie in den Schirm seiner Wohnzimmerlampe zu klemmen. Dann befestigte er daran einen aufgebogenen Drahtbügel, an den er mehrere in Streifen geschnittene und verknotete Plastiktüten band, unter die er einen Eimer Wasser stellte. Dann machte er das Licht aus, legte „The Dark Side Of The Moon“ von Pink Floyd auf und zündete gleichzeitig einen Joint und die Plastiktüten an. Doch zurück zu Drostes Buch.

Es enthält auch einen Nachrufmord auf Petra Kelly, der zwar schon im ebenfalls verblichenen Frankfurter Diskus abgedruckt war, aber bei der zweiten Lesung erst richtig zur Entfaltung kommt. Geradezu genial, wie Droste bei dieser Gelegenheit auch gleich Joan Baez, Lukas Beckmann, den Buckelwalen, dem Dalai Lama, Antje Vollmer, Bärbel Bohley und den Schlamm-Amöben vors symbolische Schienbein tritt.

Ähnlich ergeht es den „Sportkommentatoren des Satans“, Heribert Faßbender und Dieter Kürten, deren Wortgewürge Droste ebenso hämisch geißelt wie die Kommandoerklärungen der RAF. Es ist jedoch nahezu beängstigend, welche Kette von alptraumartigen Assoziationen ein simples, aber falsches Wort auf einer Getränkekarte bei dem früheren Rettungsschwimmer Droste auslöst: „Antialkoholisches“. Da rotten sich aufgebrachte Multivitamintrünke, Gemüseextrakte, ein verbitterter Sellerie, anonyme Apfelsäfte und ein bebrillter Zitronensprudel zusammen und stürmen unter Führung einer Flasche Faßbrause Hunderte von Schnapsläden und Gastwirtschaften. Die eindringliche Schilderung geht so tief unter die Haut, daß man unweigerlich zur Flasche Johnny Walker greift.

Die gehört ohnehin zum Buch dazu. Das Buch heißt übrigens „Am Arsch die Räuber“, hat ein wunderbares – von Rattelschneck gezeichnetes – Cover und gehört auf jeden Gabentisch der Gehässigkeiten. Ralf Sotscheck

Wiglaf Droste: „Am Arsch die Räuber“, Edition Nautilus, 124 Seiten, 19.80 DM