Guter Schluß

■ Gisela Meier ist bei Blaumeiers „Chanella“ und heimlich ein Star

Sie hat so dicke Brillengläser, daß die Augen wie von ganz weit hinten schauen. Vielleicht hat Gisela Meier viel mitansehen müssen und sich ein Stück zurückgezogen von der Erdoberfläche, als oben alles verschwamm. Immerhin hat sie dreißig Jahre ausgehalten, dumm und blöd genannt zu werden. Vom eigenen Ehemann.

Plötzlich, in Wirklichkeit der Endpunkt einer langen Zeit, hat sie nicht mehr schlafen können: ununterbrochen nicht mehr schlafen können. Der Arzt hat wie selbstverständlich und zur Abhilfe Schlaftabletten verordnet; ununterbrochen hat sie also wieder geschluckt, wie schon die Beleidigungen des Mannes. Bis sie süchtig wurde. Wenn da nicht ein anderer Arzt gewesen wäre, ein homöopathischer, der sie von den Tabletten abgebracht hat, wer weiß, wo Gisela Meier heute wäre.

Heute jedenfalls ist sie bei den Blaumeiers und da nicht mehr wegzudenken. Seit Jahren ist Gisela Meier nämlich ein heimlicher Star: eine Solo-Schauspielerin! Der Traum ihrer Kindheit, da hat sie sich immer schon so gerne verkleidet. Als alternde Clownin „Chanella“ spielt sie sich ein Stückchen Gisela Meier von der Seele. Mit schlechtem Schluß: die Frau auf der Bühne nimmt am Ende wieder Tabletten, weil sie merkt, wie einsam sie ist. Im wirklichen Leben der Gisela Meier gibt's nur noch vorbeugend Tabletten: wenn „ihre Psychose“ droht, wie sie sich ausdrückt. Bloß rauchen tut sie ein bißchen viel.

So oft es aber geht, spielt sie bei Blaumeiers Theater. Im blauen Cafe wird sie auch mithelfen. Und ein neues Programm ist in Vorbereitung: „Die rote Laterne“. Sie wird Marlene sein, „die ewige Jugend“: an einem Ort, „wo alles möglich ist, weil nichts mehr geht“.

Zwar lebt sie heute allein, aber einsam ist sie nicht. Sie hat ja jetzt zwei Plätze im Leben: einen bei sich und einen bei Blaumeiers. Und daß sie dumm ist, glaubt sie schon lange nicht mehr. Claudia Kohlhase