Ein Heimspiel für Heidi

Heidemarie Wieczorek-Zeul auf innerparteilicher Wahlkampftour in Bochum-Wattenscheid: Ein Gefühl wie zu Hause  ■ Aus Bochum Walter Jakobs

Wattenscheid (taz) – „Vorher“, so gesteht die Kandidatin, „hatte ich Herzklopfen.“ Doch dann, als sie den Saal der Wattenscheider Stadthalle betreten habe, „da hatte ich das Gefühl, ich bin zu Hause“. Und das im Herzen des Ruhrgebietes! Über den besten Ruf verfügen Reviersozis bei „fortschrittlichen“ SozialdemokratInnen in der Regel nicht. Den meisten graust vor den „Betonköpfen“, den „NRWlingen“, wie sie eine Zeitlang in der Bonner SPD-Baracke boshaft tituliert wurden. Da liegt „Herzklopfen“ für eine Frau nahe, die sich bis heute ihr aus Juso-Zeiten stammendes Image von der „roten Heidi“ bewahrt hat. Doch es kam anders für die südhessische SPD-Bezirksvorsitzende Heidemarie Wieczorek-Zeul. Während ihre Konkurrenten Gerhard Schröder und Rudolf Scharping in der vergangenen Woche beim Auftritt in Essen und Dortmund reserviert begrüßt worden waren, nahmen die gut 400 GenossInnen „die Heidi“ herzlich in Empfang. Es war ein Heimspiel auf fremdem Platz. Dafür gesorgt hatten die Jusos und die sozialdemokratische Arbeitsgemeinschaft für Frauen. Sie bescherten der Kandidatin ein Publikum von auffallend vielen jungen Leuten und Frauen. Und die Politikerin weiß, was bei diesem Publikum ankommt. Wer die SPD führen wolle, der habe die auf Parteitagen beschlossene Position „einzuhalten“. Das nimmt sie für sich in Anspruch, denn während der vergangenen Monate „habe ich nicht am eigenen Profil geschnitzt“ – im Gegensatz zu den männlichen SPD-Größen. „Wahrscheinlich“, so fügt sie mit fester Stimme hinzu, „sind Frauen leichter bereit zur Kooperation“, eher gewillt „das gemeinsame Profil zu schärfen“. Da rühren sich alle Hände zum Beifall. Ja, so eine, die den Streit an der Spitze beendete, wünschen sich hier alle. Wie sie sich das vorstellt, verrät die Kandidatin an einem Beispiel. Erst zu Beginn der Woche hatte der parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion, Peter Struck, erklärt, die Sparvorschläge der SPD reichten „hinten und vorne“ nicht aus und angedeutet, daß auch die SPD eine Beschneidung von Sozialleistungen erwägen müsse. „Eine derart undisziplinierte Äußerung“, so kündigt die Vorsitzende in spe an, „hätte unter meinem Vorsitz Folgen.“ Und niemand im Saal hat gelacht! Tatsächlich liegt Struck aber richtig. Der Partei mangelt es schlicht an einem soliden Finanzierungskonzept.

Eine Parteispitze, von der auch laut Wieczorek-Zeul, „Orientierung kommen muß“, hätte ja gerade die Pflicht, den eigenen Leuten die ungeschminkte Wahrheit zu sagen, statt Beschlüsse „einzuhalten“. Doch solche Fragen mit ihr zu diskutieren, danach steht dem Wattenscheider Publikum nicht der Sinn. Statt dessen gibt es Stützfragen. „Meinst du nicht auch, daß...“.

Begeistert sind alle, wenn ihre Heidi in kämpferischer Pose ruft: „Wir wollen nicht, daß unsere Söhne ihr Leben auf den Schlachtfeldern der Welt für eine falsche Politik lassen.“ Das klingt so ähnlich wie bei Schröder, der vor einer Woche mit dröhnender Stimme verkündete: „Deutsche Soldaten in aller Welt. Ich bin dagegen.“ Dieser neudeutsche linke Internationalismus, der darauf baut, daß andere Nationen ihre Söhne opfern, wenn es gilt den Menschenschlächtern dieser Welt entgegenzutreten, hat auch bei der SPD eine sichere Mehrheit. Im Kandidatentrio schließt allein der Mainzer Scharping künftige Kampfeinsätze der Bundeswehr nicht aus. Doch den wird das Wattenscheider Publikum am Tag des Ortsvereins, gewiß nicht wählen. Neben „Heidi“ kommt höchstens noch „der Gerhard“ in Frage. „Ich bin in der letzten Woche sehr skeptisch nach Essen zu Gerhard Schröder gefahren“, sagt ein Genosse aus dem Ortsverein Unna-Massen. Aber nach dem er Schröder dort erlebt habe, sei er sich sicher, daß die SPD „ohne ihn als Kanzlerkandidaten nicht regierungsfähig wird“. Nun solle Heide ihm doch bitte einen Weg aus dem „Dilemma“ weisen, fährt der Mann fort, „dich zu wählen und Schröder als Kanzlerkandidat zu bekommen“. Da kann ihm die Kandidatin, die suggeriert, der Genosse Schröder werde im Zweifelsfall auch ohne den Parteivorsitz als Kanzlerkandidat antreten, auch nicht helfen, denn der Hannoveraner hat unzweideutig klargemacht, daß es ihn nur im Doppelpack gibt. Zur Zeit sieht es eher danach aus, daß diejenigen, die „Heidi und Gerhard“ wollen, Scharping bekommen werden.