Aus dem Einzeltäter werden vier

■ Zwei rechtsradikale Jugendliche aus Solingen sollen schon gestanden haben / Klaus Kinkel bittet die Türken um „Vertrauen zu Deutschland“

Bonn/Tasova (AFP/dpa) – Nachdem die Bundesanwaltschaft tagelang die Einzeltäterthese verbreitet hatte, gibt es nach den fünf Morden von Solingen jetzt insgesamt vier Verhaftete, von denen zwei Geständnisse abgelegt haben sollen. Bereits am Donnerstag wurden drei weitere Tatverdächtige aus der rechtsradikalen Szene der Stadt festgenommen. Dies teilte Generalbundesanwalt Alexander von Stahl dem Innenausschuß des Bundestags gestern bei einer Sondersitzung in Bonn mit. Ausschußmitgliedern zufolge handelt es sich um drei junge Männer im Alter von 16, 19 und 23 Jahren. Wie Justizkreise mitteilen, wurden sie am Freitag nachmittag mit einem Hubschrauber zum Bundesgerichtshof in Karlsruhe geflogen, um dort dem Haftrichter vorgeführt zu werden. Der 23jährige habe ebenso ein Geständnis abgelegt wie der 16jährige Christian R., der bereits seit dem Wochenende in Haft ist. Bundesinnenminister Rudolf Seiters (CDU) sagte nach dem Bericht Stahls, die Tat sei „geprägt von Ausländerfeindlichkeit und Ausländerhaß“. Nach dem gegenwärtigen Erkenntnisstand könne aber nicht „von einer längerfristigen Steuerung“ ausgegangen werden. Ausschußmitgliedern zufolge ist der Tathergang „relativ eindeutig geklärt“. Offenbar sei „sehr viel Alkohol“ im Spiel gewesen. Zu den weiteren Festnahmen trugen offenbar Hinweise von Gleichaltrigen aus der Nachbarschaft bei.

Bei der Trauerfeier für die fünf Opfer des Brandanschlages von Solingen hat gestern Bundesaußenminister Klaus Kinkel die türkische Bevölkerung um Vertrauen zu Deutschland gebeten. Vor rund 5.000 Menschen in Tasova in der mittelanatolischen Provinz Amasya sagte Kinkel, der zu Beginn seiner Ansprache ausgebuht wurde, es gelte, die „kostbare deutsch-türkische Freundschaft vor der Zerstörung durch einige wenige irregeleitete Chaoten zu retten“.

Nur durch Vertrauen zu Deutschland und mit dieser Freundschaft könne dafür gesorgt werden, daß der Extremismus nicht gewinnen werde. Zugleich bekräftigte Kinkel „die tiefe Trauer und den Scham und die aufrichtige Anteilnahme der Deutschen“. Der türkische Staatspräsident Süleyman Demirel bezeichnete es als „einen Trost“, daß die Deutschen und die Bundesregierung tieftraurig seien und sich schämten, und sagte: „Wer jetzt die Deutschen pauschal verurteilt, macht einen Fehler.“ Anschließend fuhr Kinkel entgegen den ursprünglichen Planungen auch zur Beisetzung der Opfer in ihrem Heimatdorf Mercimek.

Der SPD-Abgeordnete Karsten Voigt kündigte gestern eine SPD-Kampagne für die doppelte Staatsbürgerschaft an. Auch Außenminister Kinkel und sein Vorgänger Genscher äußerten sich zustimmend zu einer solchen Gesetzesänderung. Reportage aus der Türkei Seite 2

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