Belletristisches Objekt Pferd

■ Antje Diewerge, Bremer Pferdebuchautorin: Alles über Pferde, pardon: Islandpferde, im Selbstverlag

Seien Sie ehrlich: Wie stellen sie sich eine Pferdebuch-Autorin vor? Den unentbehrlichen Stiefelauszieher erwartet man bereits im Hausflur, Pferdedecken über'm Sofa, und natürlich Pferdebilder an den Wänden — selbstgemalte versteht sich. Dann steht da im Nebel der Vorstellungen die burschikose, jugendlich-gebliebene Frau vor einem: im grobgestrickten Norweger-Pulli, die langen Haare zum Zopf geflochten, und das Gesicht würde — so suggeriert es die Vorstellung — bei dem Wort „Pferd“ jedesmal in unmißverständliches Entzücken ausbrechen.

Stop, halt! So muß es nicht sein, man kann sich eines Besseren belehren lassen: Nicht der leiseste Hauch von Pferd durchweht die Wohnung der Bremer Autorin und gelernten Grafikerin Antje Diewerge: eine moderne, emanzipierte Frau, die nichts von dem klischeehaften Pferdemädchen an sich hat. Und von wegen Pferde in Deckenform, oder an den Wänden: Alles, was man hier findet, sind ein Computer und große abstrakte Bilder — diese tatsächlich selbstgemalt.

An der einen Wand hängt ein sonnenstrahlendurchwirktes Ölbild. Das ruft höchstens Erinnerungen an ein reifes Kornfeld wach. Bis vor kurzem hat Antje Diewerge im „Frauenatelier Hochwasser“ gemalt. Im zweiten auffälligen Gegenstand, dem Computer, sind ihre Pferdebücher entstanden.

„Von Kindesbeinen an habe ich gedacht, irgendwann schreibe ich über all die Pferde, die ich in meinem Leben kennengelernt habe“, sagt Antje Diewerge. Doch bevor es soweit war, hat sie beim Frauen-Literatur-Verlag mitgearbeitet und hier und da in verschiedenen Anthologien Gedichte veröffentlicht. Aber sie hatte „immer Lust, mal was längeres zu schreiben“. Und als ihr der erste Satz in den Kopf kam, ging's los: „Ich brüllte so laut, wie ein zweijähriges Mädchen nur brüllen kann, das man soeben auf den Rücken eines Ungeheuers gesetzt hat.“ Aus diesem Erlebnis auf einem Kinderkarussell entstand ihre große Liebe zu den Pferden. Das erste Buch ist weitgehend autobiografisch und schildert das erste Interesse eines Mädchens an Pferden, bis hin zur Erfüllung aller Mädchenträume: dem eigenen Pferd.

An die Veröffentlichung des Buches knüpfte Antje Diewerge Ansprüche: „Ich hatte keine Lust, Klinken zu putzen bei Verlagen, um dann in der Meterware Pferdeliteratur zu stehen.“ Außerdem wollte die Grafikerin ihr Buch selbst gestalten, Illustrationen malen und Fotos aussuchen. „Ein Pferd auf dem Titel zu sehen, was nichts mit der Geschichte zu tun hat, wäre mir unvorstellbar“, sagt sie. 1988 war sie dann um ein Buch reicher, aber um 8.000 Mark ärmer.

Vertrieben hat sie das Buch über Reiterhöfe, die es in Kommission nahmen, und jeder Menge Rezensions-Exemplare, die sie an Pferdemagazine und Pferde-Comics geschickt hat. Daraufhin haben Jugendliche — überwiegend Mädchen natürlich — oft einfach angerufen. Diese persönlichen Kontakte bestätigten Antje Diewerge, daß weitere Bücher von ihr erwünscht waren.

„Donia und die Islandpferde“ und „Donia auf dem Islandhof“ heißen die weiteren Titel in ihrem Selbstverlag. Sie richten sich an „den Kreis der 12-16 jährigen LeserInnen“. Inhaltlich dreht es sich wie in den meisten Pferdebüchern um den gleichen Plot: Mädchen oder junge Frauen betreuen Pferde und geraten mehr oder weniger in Schwierigkeiten. Nur in einem unterscheidet sich die Thematik grundsätzlich: das literarische Objekt Pferd wird stets vom Island-Pferd bestritten. Und über Island-Pferde gibt es bislang wenig Belletristisches zu lesen.

Da die deutschen LeserInnen auf diesem Gebiet zumeist noch unbelesen sind, sind dem Anhang der Bücher immer einige Information zum Islandpferd als solchem zu entnehmen. Im Herbst wird das dritte Donia- Buch erscheinen. Danach ist Donia jedoch erwachsen, und das sei dann nichts mehr für ihre jungen LeserInnen, findet die Autorin: „Mädchen ab 8 Jahren sind größtenteils total pferdegeil. Das hält an bis 14, 15. Dann kommt ein Knackpunkt, wo das Interesse abrupt aufhört. Wenn das Interesse diese Sollbruchstelle überdauert, ist auch noch mehr dran.“ So geschehen bei der Pferdebuch-Autorin selbst.

Vivianne Agena