„Jetzt erst recht feiern!“

■ Multikulturelles Fest beim Stapellauf eines Containerschiffes

Mit „Yellow Submarine“ tauchten der grün gekleidete Spielmannszug und die weißen FahnenschwenkerInnen auf dem Gelände der Schichau-Seebeck- Werft auf. Bremerhavens letzte Großwerft feierte am Wochenende zwar kein gelbes U-Boot, aber für den Stapellauf eines Containerschiffes hatten Vertrauensleute und Geschäftsleitung zum „Fest mit ausländischen Kollegen“ geblasen. Nach Piccoloflöten und Trommeln sprang ein Bremerhavener Michael Jackson auf die Freilichtbühne.

Vor vierhundert Gästen tanzte der kleine Michael alias Riza Yildirim. Danach griff der 22jährige Schiffbauer und Jugendvertreter zum Mikrofon: „Es ist egal, ob es Schwarze oder Weiße waren, Türken oder andere Ausländer, die letzte Woche ermordert worden sind: Es vergeht mir jede Lust, an einem Fest teilzunehmen. Aber ein Fest ist besser, als gar nichts gegen den Ausländerhaß zu tun.“ Das hatten sich auch die Veranstalter gesagt, und deshalb fand das Fest mit Bier und Musik trotz der Morde in Solingen statt.

Zu den 2.300 KollegInnen der Schichau Seebeckwerft AG gehören 286 AusländerInnen. Sie kommen aus 20 Nationen, vor allem aus Portugal und aus der Türkei. 1964, als die ersten zehn „türkischen Mitarbeiter“ auf die Werft kamen, war Rudi Buschmeyer gerade Geselle im Malerei-Gewerk geworden. Er bekam die Aufgabe, sie einzuarbeiten. „Wir waren sehr gespannt. Wir wußten nichts von ihren Lebensgewohnheiten, nichts von ihrer Kultur. Wir wußten nur: Da kommen Türken.“ Am ersten Arbeitstag der sogenannten Gastarbeiter war er dabei: „Sie sprühten nur so vor Arbeitseifer.“ Fast beschwörend sagt er heute: „Die türkischen Mitarbeiter sind bei uns gut aufgehoben. Die Zusammenarbeit, das menschliche Verstehen und und auch der Lohn stimmen.“ In der Schweißerei stellen die AusländerInnen heute mehr als die Hälfte des Personals.

„Auf der Werft wissen wir, daß wir aufeinander angewiesen sind“, betont Dr. Jürgen Gollenbeck, Mitglied der Geschäftsleitung der Schichau Seebeckwerft. Ebenso wie der türkische Betriebsrat Semtin Kocan spricht er sich entschieden dafür aus, „jetzt erst recht“ ein solches Fest zu veranstalten. „Ich denke, die Zeit ist reif“, sagt Jürgen Gollenbeck, „ausländischen Bürgern, die hier leben, auch die staatsbürgerlichen Rechte zukommen zu lassen“. Semtin Kocan fordert die doppelte Staatsbürgerschaft.

Rudi Buschmeyer glaubt, daß die ganze Debatte um die Staatsbürgerschaft Sache der großen Politik sei. Er will, daß jetzt schon etwas getan werde, und zwar dort, „wo wir leben, in der Keimzelle des Staates, in den Familien.“ Er fordert dazu auf, persönliche Beziehungen zu entwickeln. Er erzählt von der langjährigen türkischen Freundin seiner Frau und von seinem Sohn, der mit einem Türken zusammenlebe.

Die gemeinsame Feier auf dem Werftgelände kann den Schatten der drohenden Beschäftigungskrise nicht vertreiben. Zwar hat die Werft Aufträge für vier weitere Containerschiffe an Land gezogen, aber die Belegschaft ist nicht ausgelastet. „Die Werft braucht unbedingt Anschlußaufträge“, sagt ein Betriebsrat. Hans Happel