Man muß die Veränderung nur wirklich wollen

■ Angepaßte Technologien – nicht nur für die „Dritte Welt“, sondern auch für uns

„Wir machen alles, was umweltfreundlich ist, und nichts, was nur konventionell ist“, lautet das Credo des Ingenieurkollektivs von „Akut Umweltschutz“ in der Weddinger Adolfstraße. Die sechs Männer und eine Frau haben sich der Entwicklung angepaßter Konzepte in der Bundesrepublik verschrieben. Dabei machen sie praktisch vor, was andere noch immer nicht glauben wollen: Daß nämlich beispielsweise Solarenergie auch in unseren Breitengraden sinnvoll und sogar wirtschaftlich rentabel eingesetzt werden kann. Dabei geht es vor allem um die sonnenenergiegestützte Warmwasserbereitung. Ein Mietshaus in der Weddinger Sparrstraße wurde mit Sonnenkollektoren auf dem Dach ausgerüstet. Eigenarbeit und WBK- Finanzierung machten es möglich, daß die gesamten Kosten, die die Mietergruppe zu tragen hatte, lediglich noch bei knapp 9.500 Mark lagen. Gerade in den Monaten März bis September, wenn der Heizkessel, der im Winter auch die Zentralheizung erwärmt, unter ungünstigsten Bedingungen läuft, kann nun die Sonnenenergie genutzt werden – die Betriebskosten senkten sich in diesem Bereich um rund 1.400 Mark jährlich.

„Akut“ hat einige Beispiele vorzuweisen. Das Problem bei den Mietshäusern: Durch die Solar- Nutzung können nur die Betriebskosten gesenkt werden, und die legt der Vermieter ohnehin voll auf die MieterInnen um. Sein Interesse an der Investition ist also gering. Wenn die MieterInnen selbst aber Druck machen würden, so glauben die Leute von „Akut“, könnte die thermische Nutzung von Sonnenenergie ein in jedem Mietshaus mögliches Umweltprojekt sein. Problem: Die Wirtschaftlichkeit der Anlagen ergibt sich meist deshalb, weil die öffentlichen Fördermittel (im Westteil Berlins durchschnittlich 65 Prozent der Gesamtkosten) die Investition verbilligen. Um diese Förderung zu bekommen, muß einiges an bürokratischem Aufwand durchgestanden werden.

Trotzdem sind die Weddinger IngenieurInnen von den Möglichkeiten der Sonnenenergienutzung überzeugt. Wo die Nation derzeit in der ARD-„Lindenstraße“ lernt, daß die von Onkel Hubert auf dem Dach installierte Windkraftanlage die Menschen im obersten Stockwerk nicht schlafen läßt, empfiehlt „Akut“: „Solarzellen wären die Lösung für die Lindenstraße.“

Aber die „Akut“-Leute meinen nicht nur Sonnenenergienutzung, wenn sie von „angepaßten Konzepten für Kommune, Haus und Betrieb“ reden. In Brandenburg zum Beispiel fließen die häuslichen Abwässer meist noch in Auffang- oder Sickergruben. Pflanzenkläranlagen, Systeme also, mit der Hilfe von Schilfpflanzungen Abwässer biologisch zu reinigen, können da Abhilfe schaffen. Diese Anlagen können unterschiedlich dimensioniert werden und sind – abhängig von der für einen eventuellen Anschluß an die Kanalisation zu überwindenden Distanz – oft kostengünstiger als öffentliche Abwasserleitungen.

Auch in Betrieben kann sowohl gespart als auch umweltschonender gearbeitet werden. Dies auch in den Bereichen, wo es noch keine Vorschriften gibt, die die Firmen ohnehin zum Umbau von Anlagen zwingen. „Akut“ hat auch hier Beispiele zu bieten. Wenn in Fertigungsprozessen Spülungen von Teilen, also Säuberung mit Wasser, zu leisten ist, dann kann über ein einfaches Kaskadensystem der Wasserverbrauch um mehr als die Hälfte gesenkt werden.

Beispiele gibt es viele, man muß es nur wollen. Und obwohl die Nutzung alternativer Technologien noch immer nicht besonders weit verbreitet ist, stellen die „Akut“-MitarbeiterInnen doch einen Bewußtseinswandel fest. Ihre Arbeiten werden nicht mehr als Spinnerei abgetan. Bernd Pickert