Widerstand nach Trauer

■ Schweigemarsch durch die Innenstadt / Mahnaktion am Brandenburger Tor / Kreuzberg: Demo gegen Rassismus

„Letzte Woche haben vor allem TürkInnen um die Toten von Solingen getrauert. Jetzt müssen wir Deutschen zeigen, wo wir stehen.“ So begründete Friedhelm Lennartz von der „Mahnwache Brandenburger Tor“ seinen Aufruf zu einem Schweigemarsch, der am Samstag in der Innenstadt mit etwa 700 Menschen stattfand. Der Zug führte vom Adenauerplatz über den Kurfürstendamm zum Brandenburger Tor. An der Spitze trugen die Demonstranten ein meterlanges schwarzes Trauerband. Die geplante Menschenkette zum Alexanderplatz kam mangels Beteiligung nicht zustande.

Die Veranstaltung endete daher mit einem Protestkunstwerk. Das schwarze Trauerband wurde zu einem moslemischen Halbmond, jüdischen Davidstern und christlichen Kreuz zerschnitten, auf diesen Symbolen sich zu Schweigeminuten niedergelassen. Um zu zeigen, daß „aus der Trauer der lebendige Widerstand gegen den Faschismus erwachse“, so Lennartz, erhoben sich die Teilnehmer und riefen Parolen wie „Stoppt die Nazis“ und „Kampf dem Faschismus“. Zu lebhaften Diskussionen kam es, nachdem türkische Jugendliche die Landesfahne schwenkten und dabei „Türkei, Türkei“ skandierten. „Ihr macht doch das gleiche wie die Rechtsradikalen“, erregte sich eine Demonstrantin, was die Fahnenschwenker nicht einsahen. „Die Fahne ist Ausdruck unserer in Solingen verletzten Ehre“, wurde ihr erwidert.

Über die geringe Beteiligung zeigten sich die Veranstalter enttäuscht. Überhaupt nicht befolgt wurde der Aufruf der „Mahnwache“, als Ausdruck der persönlichen Trauer schwarze Fahnen aus den Fenstern zu hängen.

Während in der Innnenstadt vorwiegend Deutsche ihre Trauer zeigten, fand zeitgleich in Kreuzberg eine von türkischen Organisationen initiierte Demonstration statt. Nach Polizeiangaben beteiligten sich daran etwa 1.000 Menschen. Zu Beginn kam es zu Rangeleien zwischen nationalistischen und kommunistischen türkischen Gruppen. Die Polizei trennte sie und nahm drei Personen fest. Unfriedlich wurde es auch nach der Abschlußkundgebung. In Kreuzberg warfen türkische Jugendliche einen Bauwagen um und schleuderten einen Brandsatz auf die Straße. Nach Polizeiangaben gab es zwei Festnahmen. Gleichzeitig gerieten sich in Neukölln deutsche und türkische Gruppen in die Haare. In der Nacht zum Sonntag kam es in Kreuzberg zu weiteren Auseinandersetzungen zwischen türkischen Jugendlichen und der Polizei. Drei Polizisten wurden verletzt, fünf Jugendliche festgenommen. Ulrich Jonas