Akustische Umweltverschmutzung

■ betr.: "Prince gegen Roland Kaiser", taz vom 28.5.93

betr.: „Prince gegen Roland Kaiser“, taz vom 28.5.93

[...] Der „Lärmtourismus“, die akustische Umweltverschmutzung, steigt in dem Maße, in dem die individuelle Isolation und dadurch die Langeweile wächst. Das Schlimme daran ist, daß nicht nur „sprechende Bierdosen“ Attentate auf unser Gehörhämmerchen inszenieren, sondern durchaus auch die nette alleinerziehende junge Mutter von nebenan, die, von zyklisch auftretenden Hormonschüben überschwemmt, entweder auf der Suche nach einem Heart of Gold ist oder, wie um sich selbst zu vergewissern, daß dem so sei, what a wonderful world repetiert, dergestalt, daß, intermittierend durch Variationen in Lautstärke und Wiederholung verstärkt, der ausgelieferte Zuhörer lieber am vom „Vollstrecker“ verabreichten „Sardelleneis“ zugrunde gehen möchte.

Kommt dann noch die vereinsamte alte Frau in der gegenüberliegenden Wohnung mit ihrem zwecks Anfeuerung des Wellensittichs vom frühen Morgen bis zum Abend verbissen gleichmäßig dudelnden Radioprogramm (so ziemlich alle auditiven Brechmittel tummeln sich hier) hinzu, setzen fieberhafte Überlegungen ein, ob es nicht vielleicht doch irgendeine Möglichkeit gibt, durch Umzug dieser Vorhölle zu entkommen, bis die Einsicht obsiegt, daß man dadurch wahrscheinlich nur die Lärmquellen austauscht. [...] Wenn es keinen zwischenmenschlichen Austausch mehr gibt, muß eben die Berieselung als Ersatz herhalten. Winfried Fuegen, Köln