"Weiße Elefanten" trampeln...

■ Von "Bild" bis "Spiegel": Die Initiative "Mediawatch" behält den Medien-Rassismus im Auge

Als im vergangenen Dezember in einer Titelgeschichte des Spiegel unter dem Titel „Elendskontinent Afrika – Rettung durch die Weißen“ eine apokalyptische Beschreibung des Kontinents erschien, war Kum'a Ndumbe, Medienwissenschaftler aus Kamerun, empört. Er schrieb eine Replik, die das Nachrichtenmagazin auch annahm, bezahlte – und erst ein halbes Jahr später, Ende Mai 93, veröffentlichte. Der Spiegel hatte es offenbar nicht eilig, seine Darstellung Afrikas durch einen Afrikaner korrigieren zu lassen. Für Heinz Kotte von der Kölner Initiative „Mediawatch“ ist der Fall symptomatisch: „Da wird ein ganzer Kontinent abgeschrieben.“

Die Kritik der Medieninitiative richtet sich gegen rassistische und diskriminierende Berichterstattung über die Dritte Welt und AusländerInnen in Deutschland. Denn längst nicht nur die Bild-Zeitung hetzt gegen Ausländer und AsylbewerberInnen. Auch in vielen vorgeblich liberalen Blättern sowie in öffentlich-rechtlichen Sendern geht es — wenn über die Länder Afrikas, Lateinamerikas und Asiens berichtet wird — meist nur um Aids, Katastrophen, Hunger oder „fundamentalistischen“ Fanatimus. Hintergrundberichte fehlen dagegen allzu oft. In Leitartikeln ist für die Einwanderung von Menschen aus der Dritten Welt und Osteuropa ein besonderes Vokabular vorgesehen: Da „fallen Wohlstandsflüchtlinge“ ein; auf der „Insel“ Deutschland „ist das Boot voll“...

Die Medienhetze hat Folgen: Nach einer Umfrage der Frankfurter Rundschau schätzen Münchner AbiturientInnen, daß 30 bis 40 Prozent der Gesamtbevölkerung Asylbewerber seien; tatsächlich sind es weniger als zwei Prozent. Um dieser publizistischen Vorarbeit für Ausländerhaß und Pogromen etwas entgegenzusetzen, gibt's künftig „Schlechtachten“ von Mediawatch für Artikel, die offen oder unterschwellig ausländerfeindlich, rassistisch, militaristisch, chauvinistisch, frauenfeindlich, eurozentrisch oder einfach nur oberflächlich sind.

Initiatoren von Mediawatch sind deutsche und ausländische Journalisten, die im „Dritte-Welt- Journalisten-Netz e.V.“ zusammengeschlossen sind. Ende 1991 entstand die Idee, daß die 50 Mitglieder nach dem Vorbild von „Helsinki Watch“ kontinuierlich die deutschen Medien beobachten könnten. Die Organisation wird mit 30.000 DM von der Grünen- nahen „Heinrich-Böll-Stiftung“ unterstützt, von der aus Heinz Kotte die Aktivitäten koordiniert. Für besonders problematisch hält Kotte zum Beispiel „Fallschirmjournalisten“, die für Privatsender oder internationale Nachrichtenagenturen in Afrika, Lateinamerika oder Asien auftauchen, um ohne besondere Sachkenntnis aus Kriegs- oder Krisengebieten zu berichten. „Nachrichtensender“ wie n-tv oder Vox bedienen sich aus diesem Pool oft oberflächlicher Berichte und prägen so das Bild von Entwicklungsländern in den deutschen Medien.

Parallel zu der jährlichen Verleihung des Journalistenpreises Entwicklungspolitik der Bundesregierung will Mediawatch den „Weißen Elefanten“ verleihen, eine Quittung für besonders diskriminierende Berichterstattung. In einem Jahrbuch sollen besonders abschreckende Beispiele aus allen Medien dokumentiert werden.

Wie amnesty international will die Initiative regelmäßig Fälle von voreingenommener Darstellung des Südens und der Ausländer in Deutschland veröffentlichen und Briefaktionen anregen. Heinz Kotte: „Wir wollen eine mächtige Gegenöffentlichkeit schaffen. Dann müssen die Journalisten mit uns reden.“ Durch ihre kontinuierliche Medienkritik will der Interessenverband dazu beitragen, daß Journalisten ihre Arbeit kritisch reflektieren.

Bislang organisierte Mediawatch Aktionen für den in der Türkei als Spion verurteilten deutschen Journalisten Stefan Waldberg. Außerdem machte die Gruppe Druck, als der SFB die Radioprogramme „Südwinde“ und „Weltatlas“, die aus der Dritten Welt berichteten, einstellen wollte. Auch wenn die Sendungen letztlich doch gestrichen wurden, „haben wir wenigstens mal Kritik in Gang gesetzt“, sagt Heinz Kotte.

Viele der Ziele von Mediawatch werden vorerst Wunschdenken bleiben. Denn die Aktivistengruppe braucht ein größeres Netz von „Inlandskorrespondenten“, die die Organisation regelmäßig über Vorfälle informiert. Da Mediawatch mit einem festen Mitarbeiter nicht die gesamte deutsche Presse durchforsten kann, sucht Kotte deshalb nach Journalisten, die für Mediawatch rassistisch gefärbte Artikel und Berichte sammeln. Bis dieses Netz etabliert ist, kann jeder mithelfen: Die Fax- Nummer ist: 0221-160 51 51. Tilman Baumgärtel