: Shooting-Team des Jahres
Mit einem 3:3 in Schalke retteten sich die Münchner Bayern endgültig vor dem Abstieg und wurden schließlich sogar Vizemeister ■ Aus Schalke Bernd Müllender
Unterkühlt, wie sie nun mal sind, unsere Bayern, vermieden sie es souverän, ihre spontane Freude zu zeigen. Was schade war. Denn wahrlich Großartiges haben sie vollbracht. Nach dem Triumph im Vorjahr, als das Team mit Verve, Unermüdlichkeit und vielen Übungsleitern mühsam dem Abstieg entrann, hat der FC Bayern München nunmehr souverän die Teilnahme am UEFA-Cup geschafft. 2. Platz statt 10. Platz 1992: Bayern München ist das Shooting- Team des Jahres. Einen solchen Aufschwung hat sonst kein Bundesligist geschafft! Gratulation!
Deutscher Vizemeister! Jan Wouters wird als erster Niederländer in die Annalen eingehen, dem das gelang (dito Jorginho, Mazinho für Brasilien). Olaf Thon durfte den Triumph ausgerechnet in seiner Heimatstadt Gelsenkirchen auskosten. Lothar Matthäus mußte geschlagene fünf Jahre warten, bis er seiner langen Erfolgsliste diesen ganz besonderen Coup noch einmal hinzustellen konnte. Ziege – nie war er so weit oben wie heuer. Thomas Helmer wußte genau, wann er als Vizemeister mit Dortmund wechseln mußte, um als erster Bundesligaspieler zweimal nacheinander bei zwei verschiedenen Vereinen den zweiten Platz zu erreichen. Augenthaler, kaum Co- Coach, schon so erfolgreich. Ebenso Erich Ribbeck, der mit dem kleinen Titel den Makel der Erfolglosigkeit in Meisterschaftsrunden endlich abschütteln konnte. Kreuzer, Sternkopf, Scholl, mit dem KSC immer nur Mittelmaß, und umgehend an der Sonne. Und nicht zu vergessen Rummenigge und Beckenbauer: Niemals wurden soviele Vizepräsidenten auf einmal Vizemeister. Auch sie dürfen wahrlich glücklich sein über diesen wie maßgeschneiderten Erfolg.
Die Schalker Zuschauer indes hatten den hochverdienten Münchner 3:3-Erfolg glatt mißverstanden. Schon während des Spiels hatten sie die Bayern aus zehntausenden Kehlen mit der ganzen Palette gemeinster Spottgesänge überschüttet und nachher umringten noch einige hundert den Bayern-Bus, um die Triumphatoren arg beleidigend zu verabschieden. Manager Hoeneß Ulrich, mannschaftsdienlich einen schweren Alu-Koffer aus der Kabine schleppend, wurde mit dem Bimmeln von Kuhglocken empfangen. Aber der Uli, er lächelte nur, weil er schon andere Geräusche hörte: Das Klimpern der Moneten in der Kasse. Vorsichtigen Schätzungen zufolge wird die erste Europapokal-Teilnahme seit geschlagenen zwei Jahren an die 20 Millionen bringen. Mindestens. Der UEFA- Cup sei, hatte Hoeneß schon vorher gesagt, „wirtschaftlich mindestens genauso lukrativ“ wie der Meisterpokal-Wettbewerb. Warum da den Titel gewinnen?
Dabei wäre es sogar möglich gewesen. Allein Labbadia hatte neun erfolgversprechende Versuche und hätte in diesem einen Spiel noch Torschützenkönig der Bundesliga werden können. Doch die Bayern trafen eben nur dreimal statt dreißigmal.
Den Titel verschenkt? Nein: Erfolgstrainer Erich Ribbeck analysierte sehr treffend: Er sei „mit der Saison sehr zufrieden“, mit der Leistung im Parkstadion „sehr zufrieden im Prinzip“, man sei „nur Zweiter in Anführungszeichen“. Nein, es habe doch keinen Druck gegeben, sogar Meister werden zu müssen, man dürfe auch nicht sagen, die Bayern seien in der Rückrunde auswärtsschwach gewesen, im Gegenteil: „Wir waren in der Hinrunde auswärts sehr stark.“ Genau: Positiv denken, verlangte der Coach. Und auf die Frage der taz, ob denn dieses wertvolle Auswärtsunentschieden in so einem besonderen Spiel wenigstens monetär normal abgegolten würde, meinte der Freistaat-Sir, ja, das sei so, es gebe die normale Punktprämie. Mehr kann man als Spieler nach einer so schweren und erfolgreichen Saison eigentlich nicht verlagen. 47 Punkte, 47 Überweisungen. Die Bayern, wer wollte das bezweifeln, sind wieder wer.
Bayern München: Aumann - Thon - Kreuzer, Helmer (71. Sternkopf) - Jorginho, Schupp (48. Wohlfarth), Wouters, Matthäus, Ziege - Labbadia, Scholl
Zuschauer: 70.200; Tore: 1:0 Anderbrügge (4.), 1:1 Scholl (24.), 2:1 Borodjuk (34.), 2:2 Matthäus (74.), 2:3 Wouters (76.), 3:3 Borodjuk (86.)
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen