Wohlstandskritik als Leitmotiv

■ BUND fordert radikale Schritte bei Energie und Lebensstil

Bonn (taz) – Der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) droht mit dem Ausstieg aus den Energie-Konsensgesprächen noch vor der Sommerpause. Damit reagierte BUND-Chef Hubert Weinzierl auf die Ankündigung der CDU/CSU-Fraktion, auf jeden Fall an der Atomenergie festhalten zu wollen.

Aber auch auf anderen Gebieten proklamierten die UmweltschützerInnen auf ihrer Delegiertenkonferenz am Wochenende in Bonn einen „neuen Wirtschafts- und Lebensstil“ in den Industrieländern. Der BUND – mit 215.000 Mitgliedern größter deutscher Umweltverband – will die Wohlstandskritik unter dem Motto „Weniger und anders" zu einem Leitmotiv seiner Arbeit machen. Es reiche dafür nicht aus, eine ressourcenschonende Steigerung der Effizienz zu propagieren, warnte Wolfgang Sachs vom Wuppertal- Institut für Klima und Energie. Die Gesellschaft müsse im Sinne „nachhaltiger Entwicklung“ über ihre Ziele nachdenken. „Denn das dümmste ist, mit erhöhter Effizienz in die falsche Richtung zu fahren.“

Die ökologische Wende komme, „wenn überhaupt, im Doppelschritt von Effizienz und Suffizienz voran.“ Der Öko-Publizist Sachs nannte als Beispiel die Reduzierung des Spritverbrauchs bei Autos. Die erzielte Ressourceneinsparung werde dadurch aufgefressen, daß immer mehr Menschen immer weiter führen. Sachs plädierte für einen grundlegenden Wertewandel der Gesellschaft. Die „Summe menschlicher Tätigkeiten bestehe aus mehr als bezahlter Arbeit“ („Entkommerzialisierung“). Er verlangte eine „Entschleunigung“. Das Automobil stehe für das Fortschrittsprinzip „Tempo“, der größtmöglichen Geschwindigkeit. Als „Tempolimit“ sei es aber ein „Fossil, das Innovationen blockiert: Das Tempomobil im Stadtverkehr sei so rational wie „Butter mit einer Kreissäge zu schneiden“.

Fundamentale Wohlstandskritik werde die Mitgliederzahlen nicht steigen lassen, warnte Manus van Brakel von den niederländischen „Friends of the Earth Netherlands“. Die Partnerorganisation des BUND hat Erfahrungen mit einer Kampagne „Sustainable Netherlands“ (Nachhaltige Niederlande) gemacht. Bis zum Jahr 2010 solle – berechnet auf den Konsumanteil von 16 Millionen NiederländerInnen bei gerechter globaler Ressourcenverteilung – der Verbrauch von „Umweltraum“ um 70 Prozent reduziert werden.

Dazu wären Einschränkungen des Energieverbrauchs von 60 und des Süßwasserkonsums von 30 Prozent nötig. Der landwirtschaftliche Sektor müsse um ein Viertel schrumpfen, manche Rohstoffe wie Quecksilber oder Aluminium weitgehend oder ganz ersetzt werden. Die Umweltbewegungen könnten diesen „Kulturschock“ nicht alleine durchsetzen, meinte van Brakel. Sie sprächen schließlich noch immer aus einer marginalisierten Position und sollten sich gesellschaftliche Bündnispartner suchen wie Gewerkschaften, Kirchen oder „Nichtregierungsorganisationen“. Seit der Rio-Konferenz sei das „business as usual zwar grüner geworden“, die Möglichkeiten politischer Durchsetzung aber geringer.

Die etwa 160 BUND-Delegierten verlangten per Resolution, den Umweltschutz als Staatsziel und Grundrecht in die Verfassung aufzunehmen. Der BUND wehrte sich dagegen, daß Umwelt und Ökologie als Argumente in der Asylpolitik mißbraucht worden sind. Die weltweite Ausbeutung natürlicher Ressorcen durch die Industrieländer sei die wichtigste Ursache für Flüchtlingsbewegungen, sagte Hubert Weinzierl. Christian Füller