: Streik-Meeting am Friedrich-Ebert-Damm
■ Arbeitskampf im Hamburger Kfz-Handwerk / Ford, BMW und Mercedes bestreikt, VW-Tiedtke belagert / Unterstützung aus Schleswig-Holstein
Tatkräftigte Unterstützung für Hamburgs Kfz-Handwerker aus dem Norden: Zum Streikbeginn bei „Ford Bundesen“ sowie in den „BMW“- und „Mercedes“-Niederlassungen an der Automeile Friedrich-Ebert-Damm haben gestern 400 streikende Kfz-Handwerker aus Schleswig-Holstein ihre 300 streikenden IG Metall-Kollegen in der Elbmetropole besucht. Gemeinsam blockierten sie die Straße und belagerten anschließend das Autohaus „VW-Tiedtke“.
In Schleswig-Holstein geht der Kfz-Handwerk-Streik nunmehr in die vierte Woche. Auf beiden Seiten wird verbissen gekämpft. Die Metaller blockieren immer wieder nichtbestreikte Betriebe. Die Unternehmen wiederum versuchen, mit Schikanen die Streikfront zu durchbrechen. So stellte beispielsweise ein Kfz-Krauter das Mobiliar des Betriebsrats auf den Hof, weil die Betriebsräte mitstreiken.
Der Arbeitskampfauftakt in der Hansestadt war für die Schleswig- Holsteiner nun Grund genug, in Bussen aus verschiedenen Städten nach Hamburg zu fahren, um die Streikbetriebe abzuklappern. IG Metall-Küste-Chef Frank Teichmüller machte allen Streikenden Mut: „Wir lassen es nicht zu, daß die Kollegen im Handwerk schlechter gestellt werden als die Kollegen der Industrie.“ Im Gegensatz zu den Arbeitgebern, die langsam „hektisch“ werden, haben die Metaller laut Teichmüller trotz der vierten Streikwoche „weiter einen langen Atem“.
Die Gewerkschaft fordert — wie berichtet — 7,5 Prozent mehr Lohn sowie die stufenweise Einführung der 35-Stundenwoche an fünf Arbeitstagen. Im Klartext: Die Abschaffung der Samstagsarbeit. Die Unternehmen haben zuletzt vier Prozent mehr Gehalt geboten, weigern sich jedoch, über Arbeitsverkürzung auch nur zu reden. Teichmüller: „Wir streiken für einen Kompromiß, wir streiken aber nicht für jeden Kompromiß.“ Der Gewerkschafter ermahnte die Unternehmer zur Einsicht: „Ich warne die Kfz-Krauter davor, mit Dogmen herumzulaufen und an den Verhandlungstisch zurückzukehren.“ Auch in der Metall-Industrie habe man es damals nach dem Tarifkonflikt bereut, das Tabu „keine Minute unter 40 Stunden“ aufgestellt zu haben. Der IG Metall war es nämlich dann doch gelungen, die stufenweise Arbeitszeitverkürzung durchzusetzen. Teichmüller: „Wenn die Unternehmer sich kompromißbereit zeigen, kann es ruck- zuck gehen und ein Tarifvertrag abgeschlossen werden.“
Daß eine Einigung möglich ist, beweist „VW-Wiegmann“. Das Unternehmen schloß mit der IG Metall einen „Anerkennungstarifvertrag“, durch den bereits im Vorwege den Mitarbeitern fünf Prozent mehr Gehalt und die stufenweise 35-Stundenwoche garantiert wird.
Die IG Metall macht vor allem den „Zentralverband“ für die derzeitige Blockade der Tarifverhandlungen im Norden veranwortlich. Deshalb statteten die Metaller dem Verhandlungsführer Willi Tiedtke, der am Friedrich-Ebert-Damm ein Volkswagen-Autohaus unterhält, einen Besuch ab. In diesem Unternehmen konnte die IG Metall die Beschäftigten mangels Mitgliedschaft nicht zur Teilnahme am Streik überzeugen.
Tiedtke reagierte zunächst gereizt, als er rote IG Metall-Fahnen am Tor seiner Montagehalle erspähte. „Holen Sie die Polizei“, wies er einen leitenden Angestellten an. Tiedtke ließ sich dann doch auf eine Diskussion ein und zeigte sich zum Schluß von den Argumenten sogar beeindruckt. Heute werden die Kfz-Unternehmer ihre weitere Marschroute beraten. Willy Tiedtkes Zusicherung: „Ich verspreche Ihnen, wir werden mit den Unternehmen verhandeln und das Ergebnis der IG Metall mitteilen.“ Kai von Appen
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