Geschenk an alle Autofahrer

■ Serie: Berlins schlimmste Straßen (7): In der Stralauer Allee in Friedrichshain wird gerast wie nirgendwo sonst / Fußgänger und Radfahrer nicht vorgesehen

Als Geschenk an alle Autofahrer, vor allem an die Raser, kann die Stralauer Allee im Bezirk Friedrichshain bezeichnet werden. Die Straße ist eindeutig nicht für Fußgänger oder Fahrradfahrer vorgesehen, denn eine Überquerung oder ein Spurwechsel für langsamere Verkehrsteilnehmer ist praktisch nicht möglich. Die Pkw-Fahrer danken es auf ihre Weise: Sie rasen durch die Stralauer Allee wie durch keine andere Straße Berlins, in der Tempo 50 gilt.

Selbst wenn man die schnellsten 15 Prozent als Dummen-Skonto nicht mitrechnet, weil man bei ihnen erst gar nicht von verantwortungsvoller Fahrweise ausgeht, fährt der Rest im Schnitt 77 Kilometer in der Stunde, wenn sich ihm kein Hindernis entgegenstellt. So rasten die Nutzer der Allee auf den ersten Rang bei Kurzmessungen in 52 Hauptverkehrsstraßen der Berliner Innenstadt, die für die „Studie zur stadtverträglichen Belastbarkeit der Berliner Innenstadt durch den Kfz-Verkehr“ durchgeführt wurden.

Der „Anspruch einer gefahrlosen, angst- und konfliktfreien Nutzung“ der Straßen habe getestet werden sollen, leiten die Wissenschaftler das Kapitel „Sicherheit“ ein. Dazu seien neben der Geschwindigkeit von hundert ungehindert fahrenden Wagen auch die Möglichkeit einer sicheren Überquerung getestet und die Unfallkostendichte errechnet worden. Die Ergebnisse, die der auftraggebenden Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umweltschutz seit einem Jahr vorliegen, seither jedoch unter Verschluß gehalten werden, sind katastrophal.

Die festgelegten Orientierungswerte werden praktisch nie erreicht, sondern meistens sogar die Alarmwerte überschritten. Viele Hauptstraßen, unter ihnen auch die Stralauer Allee, liegen gar bei mehreren Kriterien jenseits dieser kritischen Grenze.

Denn auch entlang der Spree ist eine sichere Überquerung nicht möglich: Die Lücken im fließenden Verkehr sind fast nie so lang, daß ein zu Fuß gehender Passant gefahrlos von einer Straßenseite auf die andere gelangen könnte. Damit ist die Trennwirkung der Straße enorm, die Stadtverträglichkeit minimal.

Daß es an der Rückfront des riesigen Narva-Geländes und weiter zwischen Wohnhäusern auf der einen, Speditionsunternehmen auf der anderen Seite keine Fahrradwege gibt, versteht sich beinahe von selbst: Denn sowohl Fußgänger als auch erst recht Radfahrer spielen schon durch die Bauvorgaben im Berliner Hauptstraßennetz seit Jahren eine völlig untergeordnete Rolle. Christian Arns

In der nächsten Folge raten wir von der Bismarckstraße ab.