Ist die „Dritte Welt“ kein Partner mehr?

■ Heute wird die „Importmesse Berlin“ eröffnet: EG drängt Süden aus dem Markt

Heute abend wird auf dem Messegelände am Funkturm die „Importmesse Berlin 1993“ eröffnet. Fast eintausend Aussteller-Firmen aus siebzig Ländern und Regionen werden bis zum Sonntag versuchen, ihre Produkte an die europäischen Importeure zu bringen. Das ist im Jahr eins des europäischen Binnenmarktes kein leichtes Unterfangen, und so versuchen es einige gar nicht erst. Insgesamt nehmen 227 Aussteller weniger als 1992 an der Messe teil, bedauert Dr. Manfred Busche von der Berliner Messegesellschaft AMK.

Schuld sei die Europäische Gemeinschaft: Zum einen seien notwendige Fördermittel gestrichen worden, so daß einige afrikanische Staaten wie Botswana, Madagaskar und Kongo nicht mehr dabei sind. Zum anderen habe der EG- Ministerrat sich erst drei Wochen vor Messebeginn entschieden, für die Aussteller der Berliner Messe „Textilkontingente“, also Einfuhrquoten, zu bewilligen. Wohin man nicht exportieren darf, da braucht man auch an keiner Messe teilzunehmen, sagten sich wohl zahlreiche Anbieter und zogen ihre Teilnahme zurück.

Anpassung an weltpolitische Veränderungen

Wie in den vergangenen Jahren ist die Messe aufgeteilt in Fachpublikum und breite Masse. Für die normalen BerlinerInnen ist die „Verbraucher-Ausstellung“ zugänglich. In vier der insgesamt zehn Hallen können Interessierte Lederwaren und Kleidung, Möbel und Geschenkartikel einkaufen. Mit Jutetasche und Aktenkoffer, Lederjacke und Andenpullover kommt hier zusammen, was sonst fein säuberlich in „offiziellen“ und „alternativen“ Dritte-Welt-Handel getrennt ist. Sogar die einst von der Solidaritätsbewegung finanzierte Tischlereikooperative „Tonio Pflaum“ aus dem nicaraguanischen Masaya bietet ihre Möbel an – allerdings nur den FachbesucherInnen.

Die Messe ist den veränderten weltpolitischen Rahmenbedingungen gefolgt. Noch 1962, ein Jahr nach dem Bau der Berliner Mauer, war die Ausstellung als eines der vielen Symbole der „Verbundenheit West-Berlins mit der Freien Welt“ konzipiert worden. Als Nord-Süd-Messe hieß das ganze bis vor zwei Jahren noch „Partner des Fortschritts“ und ging einher mit der Ansiedlung entwicklungspolitischer Institutionen in der Mauerstadt.

Heute bietet die Messe ein anderes Bild. Erstmals stellen in diesem Jahr Firmen aus Estland, Weißrußland und der Ukraine ihre Produkte zur Schau. Schon seit drei bis vier Jahren sind Polen, die Tschechische Republik, Ungarn, Litauen und Lettland vertreten. Mit Marokko und Argentinien, Barbados und der Dominikanischen Republik sind im Gegenzug einige der „treuesten“ Teilnahmeländer aus den Messehallen verschwunden.

So wird die Messe zwar noch vom Entwicklungshilfeminister Karl Eduard Spranger (CSU) eröffnet, und auch einige Veranstaltungen des Rahmenprogrammes haben Nord-Süd-Fragen zum Schwerpunkt. Die Zeiten aber, als die AMK die Messe noch ins Berliner „Handbuch der Entwicklungszusammenarbeit“ aufnehmen ließ, die sind wohl endgültig vorbei. Die „Partner des Fortschritts“ sind nicht mehr erwünscht. Bernd Pickert