Rechtsruck in Lettland

Nationalkonservative Partei gewinnt Parlamentswahlen / Deutscher Rechtsextremist stellt sich als Hindernis für Rechts-Koalition heraus / Einbürgerungsgesetz als Wahlthema  ■ Aus Riga Matthias Lüfkens

Bei den Wahlen zur „Saeima“, der nach dem lettischen Vorkriegsparlament benannten Versammlung der Volksvertreter in der seit 1991 unabhängigen Baltenrepublik, hat es am Wochenende erwartungsgemäß einen heftigen Rechtsruck gegeben. Die rechts- konservative Koalition „Lettischer Weg“, ein Zusammenschluß der Konservativen mit einflußreichen Exil-Letten unter Führung des derzeitigen Parlamentspräsidenten Anatolijs Gorbunov, wurde mit 34,4 Prozent zur stärksten Fraktion im neuen Parlament. Die radikal nationale „Bewegung für die Nationale Unabhängigkeit“ LNNK brachte es auf 15 der insgesamt 100 Sitze.

Bei einer fast 90prozentigen Wahlbeteiligung entschieden sich 13,4 Prozent der 1,2 Millionen Wähler für die LNNK, die sich für eine Repatriierung der mehrheitlich russischsprachigen „Kolonisten“ einsetzt. Die Partei wird nach den letzten Hochrechnungen voraussichtlich 15 Abgeordnete ins Parlament entsenden, darunter auch den deutsch-lettischen Rechtsextremisten Joachim Siegerist, gegen den in Deutschland eine Untersuchung wegen „Volksverhetzung“ läuft. In Lettland hatte sich Siegerist mit antirussischen Wahlreden und gut publizierten Wohltätigkeitsaktionen als eine Art „Weihnachtsmann“ beliebt gemacht. Am Wochenende ließ er ganz legal Busse vor dem Bahnhof auffahren, um mehrere Tausende Wähler von Riga nach Jelgava zu fahren, wo er an sechster Stelle auf der Parteiliste stand. Daß das lettische Wahlgesetz keine Wohnortverpflichtung voraussetzt, wurde von Wahlbeobachtern des Europarates kritisiert.

Immerhin hat die Präsenz von Joachim Siegerist die LNNK als Koalitionspartner für den „Lettischen Weg“ diskreditiert, der nun mit den 12 Abgeordneten der „Bauernpartei“ die Regierung stellen will. Doch zusammen kommen die beiden nicht auf die nötigen 50 Prozent, weshalb die „Christdemokraten“ (6 Sitze) oder die „Demokratische Zentrumspartei“ (5 Sitze) herangezogen werden müssen. Mit der Bewegung „Harmonie für Lettland“ des ehemaligen Außenministers Jurkas, der mit zwölf Prozent ins Parlament einzog, will der „Lettische Weg“ nämlich nicht zusammen arbeiten. Jurkans wird eine russenfreundliche Haltung vorgeworfen, denn seine Bewegung setzt sich für ein erleichtertes Bürgerrechtsgesetz ein, daß allen „Nicht-Bürgern“ wie man die mehrheitlich russischsprachigen BürgerInnen nennt, erst nach zehnjährigem Aufenthalt in Lettland die Staatsbürgerschaft zugesteht.

Die meisten der Rechtsparteien treten dagegen für eine Quotenregelung für den Erhalt der Staatsbürgerschaft ein. In einer Pressekonferenz am Montag meinte der amtierende Parlamentsvorsitzende und ehemalige Reformkommunist des „Lettischen Wegs“, Anatolijs Gorbunovs, daß die meisten Bürger verstanden hätten, daß Lettland nur so seine legitime Regierung wiederherstellen kann. „Die Wahlen sind gerade wegen des Ausschlusses eines Drittels der wahlberechtigten Bürger nicht demokratisch“, konterte Sergueijs Dimanis, Vertreter der „Bewegung für Gleiche Rechte“.

Die ehemaligen pro-russischen Kommunisten erhielten 5,8 Prozent der Stimmen vor allem im eher russisch besiedelten Ostlettland. Auf ihrer Liste zieht auch theoretisch der ehemalige Parteichef der KP Lettlands, Alfreds Rubiks, ins Parlament, der zur Zeit wegen Beteiligung am Putsch in Riga in Untersuchungshaft sitzt. Wenn es überhaupt bis zur ersten Parlamentssitzung am 6. Juli zu erfolgreichen Bildung einer Mitte- Rechts-Koalition kommt, wird die es schwer haben, sich gegen rechts sowie links zu behaupten. Schon der scheidende Premier Ivars Godmanis war von allen Seiten unter Beschuß gekommen. Er wurde nicht wiedergewählt, seine „Volksfront“, die 1991 ganz Lettland im Kampf gegen Moskau vereinte, ist heute auf nur 2,4 Prozent geschrumpft.

Auf der ersten Sitzung der neuen Saeima soll ein neuer Präsident gewählt werden. Als aussichtsreicher Kandidat steht Georgs Andrejevs, der jetzige Außenminister. Andrejevs zeichnet sich vor allem durch seine sture Haltung gegenüber dem russischen Nachbarn aus, wo ihm zufolge alle Politiker weiter eine imperialistische Politik betreiben.