Aus Protest machen die Unternehmen zu

■ Türkische Unternehmer schließen am Freitag für eine Stunde ihre Geschäfte

Aus Protest gegen die Morde von Solingen und Mölln wollen am kommenden Freitag in ganz Berlin türkische Restaurant- und Ladeninhaber ihre Etablissements für eine Stunde geschlossen halten. Die Aktion soll zwischen 12 und 13 Uhr stattfinden. Damit die temporäre Schließung von einer Mittagspause zu unterscheiden ist, werden Trauerplakate an die Türen geheftet sein. „Seit fast 30 Jahren leben und arbeiten wir hier“, steht darauf und: „Wir möchten weiterhin in Frieden mit allen zusammenleben. Wir fordern Sicherheit ... und gleiche Rechte.“ Zu Beginn der Schließungen wird Wirtschaftssenator Norbert Meissner (SPD) an der Ecke Oranienstraße/Adalbertstraße eine kurze Rede halten. Organisiert wurde die Traueraktion vom Bund der EinwanderInnen aus der Türkei Berlin-Brandenburg (BETB) und ihrem jüngsten Mitglied, dem Türkischen Hotel- und Gaststättenverband (THG). Deren Sprecher Murat Yüksel hielt weitere Aktionen für möglich, welche die Potenz des türkischen Wirtschaftslebens deutlich machen sollen. In Berlin existieren nach Angaben des BETB etwa 5.000 türkische Geschäfte mit insgesamt etwa 14.000 ArbeitnehmerInnen. Der einstündige Streik wird ebenfalls vom Verband der türkischen Unternehmer (VTU) und dem Verein der türkischen Reiseagenturen unterstützt.

Neben der erleichterten Einbürgerung und einem Antidiskriminierungsgesetz forderte BETB- Sprecher Kenan Kolat die sofortige Einführung der doppelten Staatsbürgerschaft. „Wir wollen nicht mehr darüber diskutieren“, sagte er, „wir müssen sie einfach haben.“ Wenn die Politiker nicht endlich die Rechte der Türken in Deutschland ernst nehmen, wird die Gegengewalt von Jugendgruppen „zwangsläufig zunehmen“, warnte er. Die im Unterschied zu Solingen relativ ruhige Stimmung unter den Jugendlichen in Kreuzberg erklärt Kenan Kolat mit dem Auseinanderbrechen sehr vieler türkischer Jugendgruppen im vergangenen Jahr. Deren ehemalige Mitglieder würden zur Zeit mit dem Anliegen „Beruhigung“ unterwegs sein. Falls die Politiker aber weiterhin die Mordbrennereien als Einzeltaten hinstellen sollten und dies nicht als gesamtgesellschaftliches Problem erkennen, könnte die „moderate Stimmung jederzeit umschlagen“. Ein Insider des türkischen Kabelfernsehens ATT, der Journalist Ahmet Yetiser, meinte hingegen gegenüber der taz, daß die Jugendgruppen im Begriff seien, sich wieder neu zu organisieren. „Es fehlt aber noch eine charismatische Integrationsfigur.“ Im Gegensatz zum Ruhrgebiet gebe es in Berlin auch weniger radikale Fundamentalisten. Anita Kugler