Nach vier Jahren Amtszeit ein volles Autogrammbuch Von Andrea Böhm

Bei all den Hiobsbotschaften aus Washington über die Talfahrt des Bill Clinton muß einmal gesagt werden, daß es eine Zielgruppe gibt, die unverdrossen zu ihm hält: Hollywood-Stars.

Quincy Jones darf ab und an das Präsidentenflugzeug zwecks Soundcheck inspizieren; Billy Crystal läßt sich vom Weißen Haus über den Hergang der Gesundheitsreform unterrichten; Barbra Streisand speist mit Justizministerin Janet Reno, übernachtet bei den Clintons im Gästezimmer und verkündet als Folge dieses Politisierungsschubs, daß sie sich jetzt sogar durch die Lektüre des konservativen Wirtschaftsmagazins Economist „angetörnt“ fühle. Worauf die Washington Post gleich süffisant bemerkte, der Economist sei ungefähr so erotisierend wie des Präsidenten Ansprache an die Nation. Wie unschwer zu erraten ist: Die Washingtoner Presse mißbilligt Bill Clintons Faible für Oscar-, Tony-, Emmy- und Grammy-Preisträger. Die Frage ist nur, ob der Präsident süchtig nach Prominenten oder die Prominenten süchtig nach Präsidenten sind.

Connections zwischen dem Hauptmieter im Weißen Haus und der Crème de la crème der Filmindustrie sind nichts Neues. Ronald Reagan brachte seine gesamten B-Film-Qualitäten mit ins Amt und lud auch schon mal Frankie- Boy, Bob Hope, Candice Bergen und Andy Warhol zum Dinner ein (originelle Mischung, isn't it?). John F. Kennedy schmückte sich nicht nur mit einem illustren Männerclub, dem Frankie-Boy (schon wieder) und Paul Newman angehörten, sondern betrachtete Hollywood darüber hinaus als einen Burschenschafts-Puff. Seine Beziehung zu Marilyn Monroe ist inzwischen historisches Allgemeingut. Von seinen nächtlichen Eskapaden mit Angie Dickinson liegen noch irgendwo im FBI-Archiv Tonband-Aufnahmen. Es sei denn, dessen Ex-Chef Edgar Hoover hat sie mit ins Grab genommen. So gern er John F. Kennedy als Vorbild in Anspruch nimmt — es würde Bill Clinton aus vielerlei Gründen nie einfallen, ein ähnliches Benehmen an den Tag zu legen. Ihn fasziniert an seinen Hollywood-Stars allein, daß sie so schön glitzern und außerdem „piissih“ (pc = politically correct) sind. Richard Gere kümmert sich um Tibet, Billy Crystal um die Obdachlosen; Barbra Streisand setzt sich für Schwule und Lesben ein, und Paul Newman und Joanne Woodward waren schon in der Demokratischen Partei aktiv, da wußte Bill Clinton noch nicht mal, daß er Präsident werden will. Judy Collins singt einfach zu schöön, und Quincy Jones hat damals bei der Inaugurationsfete die Schwemme der Superstars von Michael Jackson über Bob Dylan bis zu Lauren Bacall so perfekt dirigiert wie weiland Karajan die Berliner Philharmoniker.

Wer an dieser Stelle Ressentiments gegen Showstars mit Herz und Hirn vermutet, der liegt falsch. Mir sind Hollywood-Schauspieler, deren Gesicht kein Potemkinsches Dorf ist, sympathisch. Bloß macht deren White-House-Tourismus einen schlechten Eindruck bei den Durchschnittsbürgern und Kinogängern. Die haben Bill Clinton nicht gewählt, damit er nun mit all denen mal essen gehen kann, die jeder Normalsterbliche nur auf der Leinwand zu sehen bekommt. Was soll's — nach vier Jahren Amtszeit hätte er wenigstens ein volles Autogrammbuch.