Männer am Ball

■ Robert Youngs preisgekrönter BBC-Film "Leben ist der beste Stoff" am Mittwoch, 20.15 Uhr, im Ersten

Es geht, natürlich, um Fußball. Daß dieser Volkssport die Wirkung der Katharsis zeigt, wissen auch die Frankfurter Altspontis, die auf dem diesjährigen Ostparkturnier am vergangenen Wochenende mit Multi-Dany Cohn-Bendit im Tor („Anfangen, ich muß weg!“) gegen „Anabolika Bertramwiese“ antraten. Obgleich die vormals als „FC Cannabis“ bekannten Anaboliker sich vor Spielbeginn präpariert hatten („Wennde aufm Feld so lahm bist wie beim Bröseln, sehn wer alt aus gegen die alten Herren“), kam die Partie nicht recht in Schwung. Der Schreiber dieser Zeilen berührte mit einer der oberen Extremitäten das Leder, und Cohn-Bendit startete eine Diskussion mit dem Schiedsrichter: „Es war doch Haannd!“

Kurz vor Schluß fielen unverdient zwei Tore gegen die Anaboliker, und die Überleitung zum Thema ist die, daß Robert Youngs mehrfach preisgekrönter BBC- Fernsehfim „Leben ist der beste Stoff“ (Originaltitel: „Alive and Kicking“) sowohl von Fußball als auch von toxischen Substanzen handelt.

Eine ernste Geschichte mit Komikern in der Hauptrolle

Steve „Smudger“ Smith (Lenny Henry) ist ein zynischer, skrupelloser Heroin-Dealer. Das Kind, das seine Freundin Marie (Annabelle Smith) zur Welt bringt, ist schon im Mutterleib ein Junkie. Mental unterstützt von dem Hardcore-Drogenberater Liam Kane (Robbie Coltraine), entschließt sie sich zum Entzug, denn ansonsten würde sie ihr Kind nicht aus dem Erziehungsheim zurückbekommen. Smudger sieht diese Beeinflussung des Drogenberaters als Eingriff in sein Familienleben und rüstet zum Kampf gegen den fettleibigen Pädagogen, der ihm zu allem Überfluß die Frau abspenstig gemacht hat.

Es ist ein Kampf zwischen Gut und Böse, hart an der Grenze zu Vereinfachungen im Stil Hollywoods. Aber der Film funktioniert, weil er im vom Thatcherismus heruntergewirtschafteten Birmingham mit all seinen Slums, Baracken und müllübersäten Hinterhöfen spielt. Zudem besitzen die direkten Dialoge der rivalisierenden Dickköpfe, die in England als Komiker bekannt sind, Extraklasse.

Im Zuge der Auseinandersetzung mit dem beleibten Kane zeichnet sich bei Smudger ein innerer Wandel ab. Er erkennt, daß der fette schottische Drogenberater auch ein gebrochener Typ ist. Ein Ex-Junkie und Ex-Gangster, der die Pfade des Guten nur mit Ersatzdrogen zu begehen vermag: Das sind eine Überdosis Selbstironie, literweise übersüßter Kaffee sowie stangenweise Zigaretten. So ist zwar ein Happy-End möglich. Doch das Leben, das, wie der Film angibt, „der beste Stoff ist“, ist deswegen noch lange nicht drogenfrei. Nicht das Happy-End des Hollywood-Films ist Ziel des Films: Hier geht es nur um das Prinzip der Schadensbegrenzung in einer verderbten Welt. Als diese Erkenntnis langsam durchsickert, entzieht Smudger auf die harte Tour und gründet gegen die anfängliche Skepsis Kanes eine Junkie-Fußballertruppe, die mit Metadon-Power den Kick für sportliche und menschliche Erfolge erspielt.

„Das Leben ist der beste Stoff“ ist ein typisch englischer Film, der inspiriert ist vom sogenannten „New Britisch Cinema“ von Regisseuren wie Stephen Frears. Seine Originalität liegt nicht in der Brechung der Hollywood-Sehgewohnheiten. In „Leben ist der beste Stoff“ dominiert das altbekannte Muster der „Männerhochzeit“. Der Film überzeugt durch seine in jedem Moment glaubwürdigen Charaktere und ist ein gelungener Balanceakt zwischen Sozialreportage und Comedy. Manfred Riepe