Über sechs Jahre hat sie ihn zappeln lassen, bevor sie einwilligte. Wenn heute die Berufstätige Masako Owada den Sohn des japanischen Kaisers ehelicht, fürchten Kritiker des Tenno- systems, die 29jährige könnte vom Hofprotokoll kaltgestellt werden. Monarchisten dagegen warnen vor dem „zersetzenden Einfluß“ der Bürgerlichen. Aus Tokio Georg Blume

Konservative Inquisition demontiert die Thronerbin

30.000 Polizisten befinden sich seit einer Woche auf Sonderstreife. Vom Parlament in Tokio bis zum Rathaus in der entferntesten Ecke des Kaiserreichs steht das offizielle Japan im Festtagsgewand. Millionen Schaulustige wurden für die Hochzeitsparade des Kronprinzenpaares heute in Tokio erwartet, von Staatsseite wurde alles getan, um Japan zur Vermählung des nächsten Tennos ins Kaiserfieber zu tauchen. Doch schon am Hochzeitstag steht fest: So einfach wird die Show nicht laufen.

Denn erstens hatte das Wetteramt für heute Regen vorhergesagt. Und außerdem mußte das kaiserliche Hofamt kurzfristig die Paraderoute ändern. Vom Modeviertel Aoyama wurde der Hochzeitsumzug ins Tokioter Zentrum Shinjuku verlegt. Die Hofbeamten hatten Angst, das junge Paar würde vor leeren Bürgersteigen paradieren. Zwar tragen sogar die Kaufhäuser Aoyamas Hochzeitsschmuck; schließlich hatten Optimisten zu Jahresbeginn einen Wirtschaftsboom der Perlen-, Papier- und Textilindustrie vorausgesagt. Doch Fehlanzeige. Die Wirtschaftszahlen sind unverändert düster, die Kaufbereitschaft der Konsumenten auf dem Tiefpunkt. Für alle enttäuschten Erwartungen aber haben die Freunde und Verehrer des japanischen Monarchen längst eine Verantwortliche entdeckt: Masako Owada, 29, Harvard- und Oxfordabsolventin, ehemalige Berufsdiplomatin und Japans künftige Kaiserin.

Mit Masako Owada zieht an diesem Mittwoch die erste emanzipierte Frau ins japanische Kaiserhaus ein. So wie die derzeitige Kaiserin Michiko bei ihrer Heirat 1959 als erste bürgerliche Ehefrau im Kaiserhaus die im damaligen Japan noch weitverbreiteten feudalistischen Familienbilder auf den Kopf stellte, verkörpert heute Masako Owada die zweite Revolution in der japanischen Frauenwelt. Als Diplomatin im Außenministerium, die sogar einen Botschafterposten in Aussicht hatte, hatte sie es auf der dortigen Karriereleiter schon weiter gebracht als alle Frauen vor ihr.

Für konservative Japaner besitzt die neue Frau im Kaiserhaus hingegen die gleiche, zerstörerische Anziehungskraft wie Glenn Close in dem Hollywood-Streifen „Fatal Attraction“. Motto des Films: Emanzipation zerrüttet Familienleben. Masako Owada, so befürchten Kaisertreue, könnte den japanischen Hofstaat in die gleichen Skandale verwickeln, die in westlichen Königshäusern bereits zum Inventar gehören.

Die kaiserliche Inquisition gegen die aufgeklärte Kronprinzessin hat in den letzten Tagen vor der Hochzeit vor aller Öffentlichkeit begonnen. „Masako ist eine Karrierefrau mit herausragendem Schulabschluß, aber sie ist zu intellektuell fürs Volk“, urteilt Toshiaki Kawahara, der einst den Kronprinzen im Kindesalter betreute. Tatsächlich verspricht die Elitedame, Tochter des amtierenden Staatssekretärs im Tokioter Außenministerium, wenig Hang zur Volkstümlichkeit. Schon ihr herzhaftes Lachen widerspricht allen Vorstellungen von einer Kaiserin im Land des Lächelns. Aber genau das ist es, was sie in den Augen traditionsverliebter Japaner disqualifiziert.

Akira Hashimoto, ein Schulfreund von Tenno Akihito, erkennt andere Gründe, weshalb sich die meisten Japaner für ihr neues Prinzenpaar nicht begeistern mögen: „Sie sind beide etwas zu alt, fangen jetzt erst an, ihre Jugend zu leben.“ Die kritischen Worte enthalten zudem die Botschaft: Da die Kronprinzessin nach traditioneller Auffassung eine Jungfrau sein soll, das aber bei Masako, die die Hälfte ihres Lebens im Ausland gelebt hat, den Kritikern nicht hinreichend überprüfbar scheint, wird ihr Alter zum Gesprächsthema gemacht.

Insbesondere Masakos selbstbewußtes Auftreten in der Öffentlichkeit ist den Konservativen ein Dorn im Auge. Vor kurzem sprang sie während einer Spazierfahrt mit ihrem Verlobten als erste aus dem Wagen und ging ihm auch noch die nächsten Schritte voran. Am nächsten Tag ätzten die Kritiker: „Masako macht alles wie in Amerika: Ladies First. In Japan sollte sie sich bescheidener verhalten.“

Mit Erstaunen errechneten die Medien, daß Masako während der Verlobungs-Pressekonferenz länger zu Wort kam als der Thronfolger. Sie sprach 9 Minuten 37 Sekunden, Prinz Naruhito nur 9 Minuten 9 Sekunden. Nach genauem Studium ihrer Wortwendungen urteilte Akihitos ehemaliger Hofberater Minoru Hamao: „Masako spricht gegenüber ihrem Verlobten wie ein Lehrer zum Schüler und schon gar nicht wie eine Frau gegenüber dem Kronprinzen.“

So in die Enge getrieben, bekommt die zukünftige Kaiserin plötzlich Unterstützung von unerwarteter Seite. Japans Frauenbewegung, bisher auf Totalopposition zum patriarchalischen Tennosystem eingeschworen, entdeckt den Reiz einer japanischen Hillary. „Ich bin zwar gegen das Tennosystem“, meint die feministische Literatur-Professorin Yoko Tajima. „Aber auch das Kaiserhaus muß sich mit der Zeit ändern. Es ist doch prima, wenn schon der Kronprinz erkennt, daß sich die Aufgaben einer Frau nicht in Haushalt und Kindererziehung erschöpfen.“

Ob der Einfluß des Kronprinzen soweit reicht, Masako vor der Tyrannei von 1.130 Hofangestellten in Schutz zu nehmen, bezweifeln selbst ihre Verbündeten. Umfragen zufolge würden 90 Prozent der japanischen Frauen in Masakos Alter ihr Schicksal nicht teilen wollen. „Schade, daß eine so lebhafte Frau zwischen die Mühlen des Hofstaats gerät“, empfindet die Schriftstellerin Mariko Hayashi. „Mit einer Frau allein läßt sich das Tennosystem nicht ändern.“ Doch warum sonst hat Masako Owada sechs Jahre die Heiratsangebote des Prinzen abgelehnt und nun doch eingewilligt? „Die Diplomatie des Kaiserhauses ist sehr einflußreich“, meint die Psychologin Chikako Ogura. Da könne man auch informell einiges bewegen. „Masako hat sich diese Arbeit sehr genau ausgesucht.“

Der einzig wahrhaft Glückliche wird am heutigen Hochzeitstag Kronprinz Naruhito sein. Schon auf der Pressekonferenz zur Verlobung strahlte der 33jährige Thronfolger wie ein Frischverliebter. Trotz der langen Wartezeit überwand Naruhito alle Bedenken. „Heute erkennt man die Qualität des Mannes an der Frau, die er sich ausgesucht hat“, lobt ihn die Feministin Yoko Tajima. In Zukunft aber kommt es nicht mehr auf ihn, sondern auf Masako an.