Bürgerschaftsdebatte in Plattbauweise

■ Hohles Wortgeklingel im Rathaus / Irre: Ausgerechnet die CDU bietet sich als Alternative zur SPD-Stadtregierung an

/ Irre: Ausgerechnet die CDU bietet sich als Alternative zur SPD-Stadtregierung an

Wenn es noch eines Beweises bedurft hätte, daß das Hamburgische Verfassungsgericht mit seinem Neuwahl-Spruch ein sinnvolles, kluges, ja überaus weises Urteil gefällt hat, seit gestern abend haben wir ihn. In der Bürgerschaftsdebatte zum Thema „Zwei Jahre SPD- Alleinherrschaft“ ließen einige Teilnehmer kaum Zweifel daran, daß das vorzeitige Auswechseln der Parlamentsfraktionen nicht nur juristisch, sondern auch politisch geboten erscheint.

In der Parlamentsbütt erschien zunächst der FDP-Fraktionschef Reinhard Soltau, der das Thema auf die Tagesordnung hatte setzen lassen, dem aber nicht viel anderes einfiel, als sich mit Plattheiten à la „Hamburg steuert auf ein Fiasko zu“ oder „Hamburg kann sich diesen Senat nicht mehr leisten“ über die Redezeit zu retten. Verantwortung der FDP, Regierungspartei in Bonn und bis vor zwei Jahren auch in Hamburg? I wo.

Soltaus Auftritt wurde noch übertroffen von jenem seines SPD- Kollegen Günter Elste, der die Stirn hatte, Hamburg als „liebenswertes lebenwertes Gemeinwesen, mit vorbildlicher sozialer Steuerung“ darzustellen. Wohnungsnot, Armut, Ghettobildung in der Stadt, Verantwortung des SPD? I wo.

Beweisfähig auch der Auftritt des CDU-Frakionschefs Rolf Kruse, der bar jeden Empfindens für den aktuellen Zustand seiner Partei eine Regierungsübernahme der Union als einzig mögliche Alternative zum SPD-Regierungsstillstand empfahl und damit das Zeichen zum Themenwechsel gab. Statt um die Bilanz des noch amtierenden Senats ging's nun um die mögliche Zusammensetzung seines Nachfolgers.

An Qualität gewann die Debatte dadurch allerdings nicht. Da durfte Günter Elste mal wieder gegen Rot/Grün wettern und die SPD als Partei der Arbeitnehmer empfehlen. Den Konflikt mit durchaus rotgrünfreundlichen Arbeitnehmervertretern von der ÖTV sparte er erwartungsgemäß aus.

Ebenso erwartungsgemäß nahm GAL-Spitzenkandidatin-Kandidatin das freundliche Werben der ÖTV auf und prophezeite dem SPD-Matadoren Elste, daß er nach der Wahl schon freundlichere Worte für die Grünen finden werde.

Spätestens jetzt mußte dem aufmerksamen Beobachter auffallen, daß das kluge Urteil des Verfassungsgerichts wohl doch nicht die erwünschte Wirkung haben wird. Zumindest die meisten SPDCDUFDP-Abgeordneten, samt Soltau, Elste, Kruse, werden die Politbühne auch in der kommenden Spielzeit bevölkern und den langsam zum Querdenker mutierenden Beinahe-CDU-Spitzenmann Martin Willich zu Verzweiflungsausbrüchen wie diesem treiben: „Eigentlich ist es diese Debatte nicht wert, fortgesetzt zu werden.“ Uli Exner