Sanssouci
: Vorschlag

■ „Red, blue and yellow – if you were still around“: Aids Culture in der Volksbühne

„Es gibt für die Menschen, wie sie heute sind, nur eine radikale Neuigkeit – und das ist der Tod“, so zitiert das Programmheft zu Frank Castorfs Version der euripideischen „Alkestis“ Walter Benjamin. Ganz anders als in Castorfs wildem Gesamtkunstwerk im großen Theatersaal verläuft die Auseinandersetzung mit dem Tod im gleichen Haus zur gleichen Zeit zwei Stockwerke höher.

Die „Neuigkeit Tod“ ist hier nicht die allseits erwartete, sondern die stattgefundene – still, konzentriert und sehr privat hat die Bremer Gruppe Lubricat das Eindringen des Todes ins Leben in Szene gesetzt. „Red, blue and yellow – if you were still around“, das am vergangenen Samstag im Rahmen von „Aids Culture – Culturale Aids“ im dritten Stock der Volksbühne Premiere hatte, ist „Hommage an einen verstorbenen Freund“. Berichte der Überlebenden – des Geliebten, der Eltern und Freunde – hat Regisseur Dirk Cieslak zu einer Collage für einen Schauspieler, eine Sängerin und eine Tänzerin montiert.

„Zwei Tage vor dem Tod sagte Uwe: All die Infusionen, und jetzt haben sie nichts geholfen, und ich bin trotzdem blind.“ An den Seitenwänden der Bühne hängen durchleuchtete Diaaufnahmen von Augäpfeln: rot, warm und blutig. An der Rückwand ist auf schwarz-weiß gerasterten Computeraufnahmen der Befund zu lesen: „bilateral blindness within six months“. Ins Auge gestochen werden die Spritzen, und sie werden zugelassen aus jener blinden Hoffnung heraus, die nicht aufhören mag, an Rettung zu glauben.

Die Texte über die Hilflosigkeiten der Freunde, über den Abschied und die Unfaßbarkeit des Verlustes spricht Armin Dallapiccola im durchgängig gleichen Ton: lakonisch und unsentimental. Doch die eigene Involviertheit und Betroffenheit ist durch die strenge Haltung hindurch jeden Moment spürbar – und nicht als fiktiver Kunstvorgang, sondern durch seine Nähe zur Realität geht einem dieser Abend nahe: Hier ist der Tod etwas Wirkliches und die Trauer real.

Das unsentimentale Sprechen Armin Dallapiccolas, die dazwischengeschnittenen Liebeslieder Silvia Kesselheims und die abgehackt-starren Bewegungen Sygun Schenks lassen in der Verfremdung Privates durchscheinen, ohne daß es kitschig oder pathetisch wirkt. Trotz künstlerischer Schwächen (Silvia Kesselheim, die bei Pina Bausch und Gerhard Bohnen getanzt hat, findet singend zu keiner körperlichen Präsentation auf der Bühne, Sygun Schenk gelingt kein eigenes Profil innerhalb der Dreierkonstellation, und Armin Dallapiccola singt, obwohl er es nicht besonders gut kann) ist der Gesamtvorgang ästhetisch gelungen. Authentizität kann im Künsterleben funktionieren – auch wenn die Theorien der Postmoderne das bestreiten. Michaela Schlagenwerth

Tanztheater Lubricat: „Red, blue and yellow – if you were still around“: Bis 13. Juni täglich um 20 Uhr im dritten Stock der Volksbühne, Rosa-Luxemburg-Platz.