Fishermen's Friends, ade

■ Weia o Waga, woge zur Welle, walle zur Wiege - moderne Helden in "Winds"

Vom Winde gebläht. Stolze Segel und noch stolzere Männerbrüste, in denen echte Seglerherzen vor Freude ein paar Takte schneller schlagen, wenn ihnen die Gischt ins wettergegerbte Gesicht spritzt. Niemand weiß, warum in fast jedem kleinen Jungen einmal der Traum von knarrenden Rahen und knatternden Segeln erwacht; wahrscheinlich regen die vielen Papierschiffchen, die sie in Pfützen zu Wasser gelassen haben, zu derlei Phantasien an. Allerdings sind jene archetypischen Seebären vom Schlage „rohe Kartoffeln mit der bloßen Hand zerquetschen“ inzwischen in ihrem eigenen Mollenfriedhof begraben. Fishermen's Friends, ade.

Das ist windjammerschade, aber es gibt ja den modernen Segel-Typ – mit Dreitagestoppeln anstelle des Vollbarts, mit bubenhaftem Lächeln ohne Falten, also kurz, jene Leichtmatrosen aus der Bierreklame, von denen alternde Kapitäne mit dickem Bäuchlein glauben, daß sie ihrem Jugendbild doch verdammt ähnlich sehen. Auch der amerikanische Regisseur Carroll Ballard hat sich die Kennerdurst löschenden Collegeboys ausgesucht für seinen filmischen Segeltörn namens „Wind“. Da er weiß, daß sich mit modrigen Kaperschiffen, wrackreifen Walfängern oder der guten alten „Bounty“ allenfalls eine Meuterei unter den Zuschauern auslösen läßt, hat er auf die zeitgemäße Variante des Segelns gesetzt: den America's Cup. Hier sind High- Tech und Nostalgie vereint, Stromlinienforschung und die Launen des Wetters, Schlupfeigenschaften und Mastbruch. Das ist so richtig schön. Im modernen Heute leben und sich doch ganz dem Gestern hingeben zu können.

Aber dummerweise hat Carroll Ballard viel zu viel Ballast mitgenommen auf die große Fahrt. Da dümpelt zunächst eine schwere Beziehungskiste zwischen Skipper Will und seiner Freundin im Kielwasser, die sich erst produktiv verwenden läßt, nachdem die Herrenriege eingesehen hat, daß Frauen an Bord mehr sein können als bikinitragende Galionsfiguren.

Nur ein einziges Mal in der 140jährigen Geschichte der Wettkämpfe haben die Amerikaner den Cup aus den Händen geben müssen, aber dieses eine Mal war einfach einmal zuviel. Ballard inszeniert den demütigenden Akt als kleine Schulstunde über die Kunst des Verlierenlernenmüssens. Starke Winde wehen, aber der Kahn ist schon aus dem Rennen, bevor es überhaupt losgegangen ist. Da heißt es: ab in die Wüste. Ja wirklich, nach verlorener Regatta zieht sich Hauptjüngelchen Will Parker mit ein paar Kumpels vom Wasser zurück und macht Trockentraining auf dem Salzsee. Da kann er in sich gehen und die Bewältigung des geistig-moralischen Niedergangs Amerikas betreiben. Nach dieser Läuterung darf Will dann endlich zum Siege segeln und den Pokal wieder nach Hause holen.

Einen Orden mindestens in der Größe des America's Cup gebührt auch der Filmcrew. Es ist nämlich etwas anderes, ob man sein Schiffchen in der Badewanne zu Wasser läßt und zwischen Schaumkronen umherschippert oder 12-Meter- Jachten vor der australischen Küste im Hochgeschwindigkeitsrausch aufnehmen muß. Wieder einmal hat die technologische Kriegführung Hollywoods einen Sieg über die Naturgewalten Wellen, Wasser, Wind errungen und ungewöhnliche, dramatische Bilder erschossen. Das ist einfach der Wahnsinn: ein actiongeladenes Finish mit zwei wahren Hauptdarstellern, hart am Wind segelnd. Die beiden Jachten erzeugen ein völlig neues Kinogefühl. Tolldreist tauchen sie in Wellentäler hinab, um auf Schaumkronen reitend wieder emporzusteigen. Dabei schaukeln sie so wild, daß einem noch in der letzten Kinoreihe vor Seekrankheitsahnungen grün im Gesicht werden kann. Danke, danke Hollywood für diese neue Erfahrung. Christof Boy

„Wind“ von Carroll Ballard, USA 1993. Mit: Matthew Modine, Jennifer Grey, Cliff Robertson u.a.