„Den Machtwechsel, bevor Banda stirbt!“

■ Der Bürgerrechtler Enwood Longwe über Diktatur und Demokratie in Malawi

taz: Banda wird in Afrika gern „Häuptling von Malawi“ genannt. Bringen ihm die Menschen im Land den entsprechenden Respekt entgegen?

Longwe: Zu Beginn seiner Herrschaft respektierten ihn die Menschen. Aber er mißbrauchte dieses Vertrauen, um sich unangreifbar zu machen. Man darf ihn nicht kritisieren.

Man hört im Land bisweilen die Behauptung, dieses absolute Machtkonzept entspräche afrikanischer Tradition.

Das ist nicht wahr. Häuptlinge haben sich mit ihren Entscheidungen vor der Gruppe zu verantworten. Banda hat sich dieser Verantwortung entzogen. Er hat nicht den Kontakt zu seinen Untergebenen, den ein afrikanischer Häuptling zu seinen Untergebenen hat. Diese Übertragung traditioneller Mikrogesellschaften auf die Moderne funktioniert nicht.

Steht Banda in einer Reihe mit Leuten wie Zaires Diktator Mobutu und Ugandas früherem Militärherrscher Idi Amin?

Nein, das ist schon anders. Kamuzu Banda hat einen gewissen Charme, einen gewissen Stil. Er weiß in gutem Englisch zu sagen, was der Westen hören will. Zudem war Banda zu Beginn seiner Herrschaft ein sehr pragmatischer Mann – mit dem einzigen Fehler, keine Kritik ertragen zu können. Dadurch, daß er sich mit Schmeichlern umgab, verlor er rasch den Zugang zur Realität. Sein Fenster zur Welt sind zwei Menschen: seine „Begleiterin“ Kadzamira und sein Staatsminister Tembo. Sie berichten ihm, wie sehr das Volk ihn liebt, wie zufrieden und gutgekleidet es ist, wie sehr die Wirtschaft floriert. Die Entscheidungen, die momentan gefällt werden, werden nicht von Banda gefällt. Jeder, der Banda gesehen hat, kann bestätigen, daß er kaum noch zu einem vernünftigen Gespräch in der Lage ist.

Malawi galt lange Jahre als „Sonderfall“ in Afrika: politische Stabilität, wirtschaftliches Wachstum...

Mich ärgert die Art, wie der Westen Malawi jahrelang beurteilt hat. Wenn ich ein Land wie ein Privatunternehmen führe und Gewerkschaften verbiete, dann ist es leicht, „erfolgreich“ zu sein. 80 Prozent unserer Bevölkerung lebt unter der Armutsgrenze.

Malawi macht den Eindruck eines „friedlichen Landes“.

Man darf Einschüchterung nicht mit Frieden verwechseln. Die Menschen haben Angst vor der Allmacht der Partei. Die Menschenrechtsverletzungen sind ausführlich dokumentiert.

Was passiert nach dem Referendum? Schließen Sie bewaffnete Machtkämpfe aus?

Ich befürchte Gewalt, wenn sich das Regime so wie bisher gegen Veränderungen sperrt. Der Machtwechsel muß in die Wege geleitet werden, bevor Banda stirbt. Die Erfahrung anderer afrikanischer Diktaturen lehrt, daß ein Machtvakuum, wie es nach Bandas Tod wahrscheinlich ist, lokale Führer ermutigt, sich politische Macht anzumaßen, was direkt in den Bürgerkrieg führt.

Es werden immer wieder Zweifel am Sinn parlamentarischer Demokratien in Afrika geäußert. Befürworter des Bandaregimes behaupten, die Bürgerrechtsbewegung sei eine Erfindung malawischer Intellektueller.

Demokratie ist immer und überall eine Erfindung von Intellektuellen. Was bedeutet Demokratie für den einfachen Bauern? Bisher saßen die Menschen in Malawi vor den Radios und warteten auf die Ansprache des Präsidenten. Es geht nun darum, die Bedingungen für Initiative, Kreativität und Produktivität zu schaffen. Es geht um Teilhabe an der Gesellschaft. Interview: Erik Schadde

Enwood Longwe (32) vertritt in den USA die malawische „Alliance for Democracy“