Die Prinzessin und ihr Hund

■ Keinerlei Ironie oder gar Kritik entfuhr Japans Fernsehsendern am Tage der Kronprinzenhochzeit

Von den unzähligen Verbeugungen, die Japans neue Kronprinzessin Masako Owada im Laufe ihres Hochzeitstags vor Hofstaat, Kaiserfamilie und Göttertempeln protokollgemäß abstattete, war nur eine einzige des Guten zuviel getan. Beim Verlassen ihres Elternhauses am frühen Mittwoch morgen verneigte sich die Prinzessin vor ihrem Hund. Warum? Weshalb? Keiner wußte es. Selbstverständlich ignorierten die japanischen Reporter die peinliche Szene. Die allzugut verinnerlichte Geste aber entlarvte die Prinzessin, stellte ihre Erniedrigung bloß und zeigte zugleich, wie hoffnungslos der einzelne Mensch Institution und Tradition einer so mächtigen Instanz wie dem japanischen Kaiserhaus ausgeliefert ist. In ihren Träumen wird sich Masako Owada demnächst wohl noch vor Mäusen verbeugen. Ihren Stolz als einstige Harvard-Absolventin und Karrierediplomatin schien die 29jährige dabei schon gestern verloren zu haben. Warum nur konnten ihre jüngeren Zwillingsschwestern den ganzen Tag nicht aufhören zu weinen?

In Wind und Nässe der Regenzeit begannen gestern vormittag die kaiserlichen Hochzeitsrituale des Shintoismus, Japans alter Naturreligion. Weil den Tempeldächern im Kaiserhof die Dachrinnen fehlen, wehten Regentropfen in die Gesichter der 800 geladenen Gäste, unter ihnen kein einziger Ausländer. Stocksteif, mit einer festumschnürten Prinzessin im zwölflagigen Kimono und ganz ohne Hofmusik, vollzog sich der Eheschwur. Ein Schluck geheiligter Reiswein aus der Hand eines Priesters besiegelte schließlich den Augenblick, in dem Masako Familiennamen und bürgerlichen Status samt Wahlrecht verlor. Kaum hatte sie den Alkohol zu ihren Lippen geführt, wechselten Land und Medien die Anrede: Aus „Masako-san“ wurde „Masako-sama“. Die alte, feudalistische Höflichkeitswendung trennt die Prinzessin endgültig vom Volk und hebt sie in einen Stand unerklärter Adligkeit.

Dann sollten eigentlich die Feierlichkeiten im ganzen Land beginnen. Tatsächlich startete in Masakos Heimatort Murakami am japanischen Meer eine Fischerbootparade. In Osaka spritzte ein Hafendampfer rote Wasserfontänen in die Luft. Doch ansonsten ging es gestern in Japan nicht lustiger zu als sonst. Den kaiserlichen Propagandazwecken war schließlich schon durch den arbeitsfreien Tag zur Hochzeit im ganzen Land Genüge getan. Was dann noch fehlte, um die Fassade eines gesellschaftlichen Konsens rund ums Kaiserhaus aufzubauen, besorgten die Fernsehstationen mit einer Sonderberichterstattung rund um die Uhr. Keinerlei Ironie, geschweige denn Kritik war in diesen 24 Stunden Kaiserschwulst erlaubt. Ansager und Kommentatoren, die sonst in allen Farben die tägliche politische Berichterstattung erledigen, entpuppten sich plötzlich sämtlich als überzeugte Kaiserhausfans, alle gleichermaßen entzückt, als sich gegen Ende des Tages die schweren Regenwolken lichteten und zur Hochzeitsparade des neuen Paares die Sonne erschien.

Im Rolls-Royce mit offenem Verdeck rollten Naruhito und Masako über leergefegte Asphaltbahnen durch die Tokioter Innenstadt. Nur auf den schmalen Bürgersteigen durfte das Volk mit den Fähnchen winken, während dreißigtausend Polizisten beim öffentlichen Teil der Kronprinzenhochzeit demonstrierten, daß die Staatsmacht und der Kaiser ein und dasselbe sind und sich nicht nur auf die Popularität in den Medien stützen. Nicht einmal auf einen persönlichen Wunsch des Kronprinzen wird das Protokoll eingehen: Bei der Fortsetzung der Feierlichkeiten am 15. Juni erklingt die kaiserliche Nationalhymne des Zweiten Weltkriegs, die offenbar selbst der zukünftige Kaiser trotz besserem Geschichtsverständnis nicht abschaffen kann. Georg Blume