Doppelmoral der UNO in Afrika

■ Während die UNO in Somalia einen Militärschlag gegen General Aidid vorbereitet, bleibt es nach Massakern in Angola und Liberia bei verbalen Verurteilungen

Berlin (taz) – Somalias Hauptstadt Mogadischu lebt wieder einmal in Angst vor Krieg. Doch steht diesmal kein Bürgerkrieg zwischen verfeindeten somalischen Clans bevor – die Blauhelmtruppe der UNO-Mission in Somalia (Unosom II) rüstet für einen massiven Militärschlag gegen den Kriegsherren General Farah Aidid. Seine Truppen werden für die Straßenkämpfe am Samstag verantwortlich gemacht, bei denen 23 pakistanische Blauhelme und über 35 Somalier starben.

Der UNO geht es in Somalia um die Wiederherstellung ihrer Autorität. „Wenn wir jetzt nichts unternehmen, könnten wir genausogut abziehen“, erklärte in Mogadischu ein UNO-Beamter, der anonym bleiben wollte. Doch um ihre militärische Autorität wiederherzustellen, nimmt die UNO den Verlust ihrer zivilen Handlungsfähigkeit in Kauf. Die zivilen Mitarbeiter der Unosom II werden nach und nach abgezogen – von ursprünglich 221 waren nach Angaben des Unosom-Sprechers Faruk Mawlawi am Dienstag noch 64 übrig, und die Evakuierungen gingen gestern weiter.

Auch die Arbeit der anderen Entwicklungshelfer in Mogadischu – die teilweise schon vor Ort waren, als sich die UNO noch überhaupt nicht für Somalia interessierte – ist nahezu zum Erliegen gekommen. Viele, wie das komplette Team des deutschen Technischen Hilfswerkes, sind bereits außer Landes. Die Verbliebenen sind jetzt von der UNO aufgefordert worden, ihre Quartiere im Aidid- kontrollierten Südteil Mogadischus zu verlassen und sich in ausgewiesene UN-„Sicherheitszonen“ zu begeben. Hilfsorganisationen und UNO-Stellen sind sich einig, daß in den nächsten Tagen UNO-Militärschläge aus der Luft und auf dem Boden gegen Artilleriestellungen und vermutete Waffenlager der Aidid-Truppen zu erwarten sind. Aidid-Anhänger waren gestern dabei, an strategischen Stellen Mogadischus Straßensperren zu errichten.

Was die unter der Herrschaft Aidids lebende Zivilbevölkerung von UNO-Militärschlägen in ihren Wohngebieten zu erwarten hat, verrät die UNO nicht, wie sie sich auch zum Thema der vielen bereits am Samstag gefallenen somalischen Zivilisten in Schweigen hüllt. Fest steht, daß Somalias andere Warlords sich bereits die Hände reiben: Ali Mahdi, der den Norden Mogadischus kontrolliert, hat die UNO zur Verhaftung seines Widersachers aufgefordert, und Aidids südsomalischer Alliierter Omar Jess soll sich vom Vorgehen Aidids distanziert haben.

Der Aktionismus der UNO in Somalia nach dem Tod der 23 Blauhelme kontrastiert auffallend mit ihrer Hilflosigkeit nach Massakern in zwei afrikanischen Bürgerkriegen, bei denen die UNO eine politische Rolle spielt. In Angola töteten Rebellen der Guerillabewegung Unita unter Jonas Savimbi am 27. Mai 225 Menschen, darunter viele Frauen und Kinder, als sie einen Eisenbahnzug auf der Strecke Quipongo–Matala angriffen. In Liberia metzelten Guerillakämpfer, die von Überlebenden als Anhänger des Rebellenführers Charles Taylor identifiziert wurden, am 6. Juni über 300 Insassen eines Flüchtlingslagers bei Harbel nieder. Der UNO-Sicherheitsrat hat am Dienstag beide Aktionen – die „kriminellen“ Angriffe von Angola wie auch die „sinnlosen“ Morde von Liberia – scharf verurteilt, erwägt jedoch keine weiteren Schritte.

Es reiste gestern lediglich der UNO-Sonderbeauftragte für Liberia, Trevor Gordon-Somers, nach Liberia, wo er sich demnach zuletzt nicht aufgehalten hat. In Angola hat die UNO am 1. Juni das auslaufende Mandat ihrer Mission „Unavem II“ zwar um sechs Wochen verlängert, die Personalstärke jedoch um rund 50 auf 194 Mitarbeiter verringert. Anders als heute in Somalia ist weder in Angola und Liberia, wie die UNO immer wieder beklagt, eine Versorgung der Zivilbevölkerung in den von Rebellen kontrollierten Regionen außerhalb der Hauptstadt mit Lebensmitteln gewährleistet. D.J.