Reines Rinnsal aus dem Felsen

■ Japan-Tage im KITO: „Japan verstehen“ mit der Wölbholzzither

Es war einmal ein Prinz, der hieß Genji und war ganz hin- und hergerissen zwischen seiner Angebeteten und einer anderen schönen Frau. Er konnte sich nicht richtig entscheiden. Diese für den Prinzen mißliche Lage ging der Nebenbuhlerin allerdings weit mehr auf die Nerven.

Auch die sitzt zwischen allen Stühlen. Japanische Konventionen hier, die Liebe und nichts als die Liebe dort. Der Obi auf der Erde, ein Kimono-Gürtel, symbolisiert des Prinzen Liebschaft, der Fächer in der Hand einen Dolch. Eine schnelle, abrupte Bewegung, und schon ist ein kleiner Mord vollbracht.

Das ist japanischer Butoh- Tanz. Die Tänzerin Ufo Furusawa bewegt sich schleichend über die Bühne, agiert beinahe statisch. Ihr zur Seite sitzen ein Mandolinen- Spieler, ein singender Trommler und ein Bremer Querflötist, Klaus Fischer. Ihre Musik scheint einer modernen Kurzoper entlehnt. Einflüsse der Neuen Musik wechseln sich ab mit getragenen Passagen der Flöte, die Tänzerin folgt mit ihren Posen dem Tempo der Musik.

Es sieht beinahe aus wie ein Einbaum für Kinder, ist ungefähr 170 Zentimeter lang und hat dreizehn Saiten. Bedient wird es mit der rechten Hand, genauer — mit Daumen, Zeige- und Mittelfinger, an denen kleine Plättchen befestigt sind. Das Instrument kommt aus Japan und heißt Koto. Oder auf deutsch: Wölbholzzither.

Im Rahmen des Vegesacker KITO-Festivals Japan Verstehen trat eine Formation aus Kobe auf Zentral-Honshu auf, die es in sich hatte. Erstens beschränkte sich ihre Musik keinesfalls auf Koto- Instrumente. Zum Einsatz kamen auch eine Shakuhachi (eine kinderarmdicke Bambusflöte) und eine sogenannte Tsuzumi. Das ist eine kleine Handtrommel, die vom Virtuosen Teruo Araki gespielt wurde. Und eben Mandoline und Flöte bei der Geschichte des Prinzen Genji.

Ungemein elegant die Kimonos der Koto-Spielerinnen, sehr schick die Hakamas (Hosenröcke) des Shakuhachi-Spielers und des Trommlers. Das Stück „Iwa Shimizu“ des zeitgenössischen Komponisten Tozan Nakao, frei übersetzt „Reines Rinnsal aus dem Felsen“ schwebte meditativ durch den Raum. Der sehnsüchtige Klang der Flöte erfüllte die Luft, zum Felserweichen. Ganz anders das expressive, fast aggressiv angerissene Koto-Solo der überragenden Kaori Takada. Ihr „Midare“ hatte seinen Titel verdient — übersetzt: „Ungewöhnlich“.

Teruo Arakis würdevoller Vortrag auf der Handtrommel, „Muyu-Ichoh“, begeisterte die kleine Publikumsschar. Sein kratzig gegurrter „Iiaah...Oooh“-Gesang sorgte für atemlose Stille. Der musikalisch gegensätzliche Abend verband traditionelle Töne mit modernen Klängen aus Nippon so leicht und harmonisch, daß es eine Frühsommer-Freude war. Lobsang Samten