Ein dichtes Netz mit dünnem Takt

■ BVG-Fahrplanwechsel Ende Mai brachte neue Ost-West-Verbindungen

„Die Zeiten ändern sich“, pries die BVG pathetisch den diesjährigen Fahrplanwechsel an, der Ende Mai in Kraft trat. In einer anderen Broschüre war zu erfahren: „Im Grunde bleibt aber alles beim alten. Es wird nur besser.“

In der Tat ändern sich auch im BVG-Netz die Zeiten, vor allem die Taktzeiten vieler Omnibuslinien. Und nicht nur das. So wurden im Ostteil nach sämtlichen anderen Linien und Fahrzeugen nun auch die Straßenbahnlinien von der Umnumerierungswelle erfaßt. Das neue Nummernsystem ist übersichtlicher aufgebaut als das alte, das in Teilen noch aus der Kaiserzeit stammte.

Im Tramnetz gab es nur wenige Verschlechterungen, hauptsächlich durch den Wegfall von Direktverbindungen (beispielsweise Johannisthal–Karlshorst, Prenzlauer Allee–Weißensee). Die Taktveränderungen wertet Matthias Horth vom Fahrgastverband IGEB als harmlos. Es gab zwar Verlängerungen von Intervallen, dafür sind auf manchen Strecken die Takte der Linien jetzt gleichmäßiger ineinander verschränkt.

Weniger freundlich bewerten die IGEB und der Verkehrsclub von Deutschland (VCD) die Veränderungen im Busnetz. Die neuen Ost-West-Verbindungen, vor allem zwischen Mitte und Kreuzberg, sind in der Tat beachtlich. Gleichzeitig wurde jedoch, wie die IGEB zusammengerechnet hat, auf über 40 Linien der Takt ausgedünnt. Mit einem 20-Minuten-Takt sind viele Linien für Fahrgäste, die ohne das 684 Gramm schwere Fahrplanbuch zur Haltestelle gehen, wohl nicht mehr attraktiv.

Weitere Verschlechterungen, die in der Realität freilich schon vor dem Fahrplanwechsel eingetreten sind, liegen in den Fahrtzeitverlängerungen durch Staus. Hier wirkt sich gravierend aus, daß Busspuren entweder gar nicht erst eingerichtet oder eingeschränkt und nicht beachtet werden. Matthias Horth von der IGEB weiß von einigen Stellen zu berichten, zum Beispiel in Altglienicke beim 160er-Bus, an denen die Fahrgäste ihren Weg aus Zeitgründen lieber zu Fuß fortsetzen.

Auch die Linienänderungen sind nicht in jedem Fall so angebotsneutral, wie die BVG beteuert. So zeigt ein Vergleich von altem und neuem Netzplan, daß der vollständige Ersatz des alten 106er-Busses durch neue Linien, von dem in den Informationsheften die Rede ist, in zwei Abschnitten nicht existiert. Durch den Nordteil der Wilsnacker Straße in Tiergarten und die Hohenstaufenstraße in Schöneberg ist seit Inkrafttreten des „nur besseren“ Angebots kein Linienbus mehr gefahren. Gerade der 106er war nach Beobachtung des Berliner VCD- Vorsitzenden Ingo Franßen „ein echter Kiezbus“, dessen Wegfall vor allem für Gehbehinderte Nachteile bringt.

Nur wenige Klagen wurden dem VCD dagegen über das neue Nachtliniennetz zugetragen. Durch neue Ost-West-Verbindungen und den Knotenpunkt Hackescher Markt sind hier bessere Anschlüsse entstanden, was dafür entschädigen dürfte, daß manche Verästelungen, vor allem in Friedrichshain, weggefallen sind. Schon eine Woche nach dem Fahrplanwechsel hat die BVG im Nachtnetz Korrekturen gemeldet, da unter anderem eine fünfte Nachtstraßenbahnlinie (wieder-)eingeführt wurde.

Die Nachteile durch Taktausdünnung und neue Umsteigezwänge können teilweise durch die neuen Formen der BVG-Informationen abgemildert werden. Erstmals erschien beim letzten Fahrplanwechsel ein auch in Kaufhäusern gratis erhältliches Heft mit Netzplänen und Angaben zur Taktdichte.

Im Lauf seiner einjährigen Geltungsdauer wird der Fahrplan durch einen Nachtrag ergänzt werden müssen, denn im Herbst wird es umfangreiche Änderungen im Bus-Netz geben, wenn der S- Bahn-Südring und die U-Bahn- Strecke Wittenbergplatz–Mohrenstraße wiedereröffnet werden. Bei letzterer Verbindung wird die BVG dank der jetzigen Probleme einen gewaltigen Zeitgewinn melden können: Die IGEB hat festgestellt, daß der 348er-Bus heute für die 2.000 Meter von der Kurfürstenstraße in Schöneberg bis zur Mohrenstraße in Mitte 17 Minuten braucht, also mit sieben Kilometern pro Stunde unterwegs ist. Matthias Fink