Zucker kein Haftgrund

■ CDU-Vorwurf: Staatsanwaltschaft und Gerichte bei "Dealern" zu lasch / Limbach klärt über Gesetzeslage auf

Wenn es um Polemik gegen Justizsenatorin Jutta Limbach (SPD) geht, sind die Abgeordneten der CDU wahre Leuchten. Mit dem kleinen juristischen Einmaleins dagegen haben die Herren Volksvertreter erhebliche Schwierigkeiten, und das, obwohl einige von ihnen studierte Juristen sind: Im Rechtsausschuß des Abgeordnetenhauses forderten die Christdemokraten Justizsenatorin Limbach gestern auf, den Strafverfolgungsbehörden die „eindeutige Anweisung“ zu geben, bei Drogendelikten „das Haftrecht voll und konsequent auszuschöpfen“. Es könne doch nicht angehen, so die Begründung, daß „Schwerstkriminelle wie Hütchenspieler und Rauschgifthändler“ von der Polizei festgenommen, von Staatsanwälten und Haftrichtern aber wieder laufengelassen würden.

Sie müsse sich über die „Rechtsferne“ der CDU-Abgeordneten doch sehr wundern, konterte Limbach. Der Erlaß von Haftbefehlen sei eindeutig im Gesetz geregelt und keine Frage einer Absprache zwischen Justizsenatorin und Innensenator. Selbiges zu fordern, so Limbach deutlich in Richtung CDU, sei „rechtsstaatswidrig“.

Laut CDU hat die Polizei 609 Vorführungen vor dem Haftrichter beantragt, die Staatsanwaltschaft hatte aber nur in 458 Fällen dem Antrag stattgegeben. Die Gerichte folgten diesem wiederum „nur“ in 174 Fällen. Die Debatte war von den Konservativen auf die Tagesordnung gesetzt worden, nachdem sich eine große Springer- Gazette gestern ausführlich dieses Themas angenommen hatte. Der fast eine Seite einnehmende Bericht war von den großformatigen Fotos von Justizsenatorin und Innensenator Dieter Heckelmann gekrönt. Im Text wurde aus einem Brief des CDU Senators an die SPD Seantorin zitiert, in dem Heckelmann beklagt, die Staatsanwaltschaft würde die mühevolle Arbeit der Polizei unterlaufen. In dem Bericht sind vier Fälle hervorgehoben, in denen Staatsanwaltschaft und Gerichte von der Polizei gefaßte „Dealer“ laufenließen.

Auf Geheiß von Limbach legte gestern der seit 20 Jahren für Rauschgiftkriminalität zuständige Oberstaatsanwalt Heratsch dar, warum bei den vier Fällen keine Haftbefehle gefordert worden waren: Die Staatsanwaltschaft hätte neue Erkentnisse gewonnen, über die die Polizei zum Zeitpunkt der Festnahmen noch nicht verfügt habe.

Besonders kraß war der Fall eines Beschuldigten, der laut Polizei mit 2,34 Gramm Heroin festgenommen worden war. Eine sorgfältige Staatsanwältin ließ das beschlagnahmte Pulver untersuchen und siehe da: Es war weder Heroin noch sonst eine Substanz, die dem Betäubungsmittelgesetz unterliegt, berichtete Oberstaatsanwalt Heratsch. Wäre die Staatsanwältin dem Ansinnen der Polizei ohne weitere Prüfung gefolgt, so Heratsch, „wäre der Beschuldigte ohne ausreichende Rechtsgrundlage in U-Haft gekommen“. Der Betroffene hätte sich darauf berufen gehabt, die Substanz sei Traubenzucker. Plutonia Plarre