■ Standbild: Schlicht & billig
„Ich wär' so gerne Millionär“, Mittwoch, 22.15 Uhr, ZDF
Es soll ja Dokumentarfilmer geben, die endlos recherchieren, durch die ganze Welt reisen, hier ein paar Meter Film belichten, da ein paar O-Töne einfangen, um anschließend daraus eine gerade einmal halbstündige Reportage zusammenzubasteln, bei der man sich dann als gemeiner Zuschauer fragt, ob der Aufwand dafür wirklich nötig gewesen wäre.
Ulli Rothaus demonstrierte mit seiner Reportage, daß es auch anders geht: Minimale Ergebnisse lassen sich auch mit minimalem Aufwand erzielen. Da hatte er ein Harry-Wijnvoord- begeistertes Clübchen von Hausfrauen aus dem Hamburgischen auserwählt und sich mit ihnen auf eine dreitägige Busreise nach München zur Aufzeichnung von „Der Preis ist heiß“ begeben. Und so gaben denn Trägerinnen straßbestickter T-Shirts („Love“) brav zu Protokoll, daß sie gern ein Wohnmobil gewinnen oder für ihr Leben gern „einmal Harry knuddeln“ wollten. Wir durften verfolgen, wie die Damen zunehmend nervöser wurden, sich während der Aufzeichnung bereitwillig zum Trampeln animieren ließen und eine gar ein paar Märker gewann. Am nächsten Tag ging's dann mit dem Bus zurück Richtung Norden. Das Filmteam wieder mit an Bord. Flink noch ein paar Statements eingeholt, und schon war die Reportage im Kasten. Derartige Filmchen über Butterfahrten oder die reisenden Umtriebe von Kegelclubs gibt's inzwischen zuhauf, Rothaus' schlichter Beitrag zum Game- Show-Tourismus wäre wahrlich nicht mehr nötig gewesen. Zumal ihn die Spezifik dieser vergleichsweise neuen Spielart offensichtlich wenig interessierte.
Über die Einzelveranstaltung ging der Blick selten hinaus, und die Frage „Sind Sie nervös?“ war auch schon der Gipfel der journalistischen Neugier. Wenn er schon beim Kandidaten-Casting nicht mit dabeisein durfte, hätte er ja zumindest mal bei den Veranstaltern für uns nachfragen können, was denn da hinter den Kulissen Mysteriöses abgeht. Und wenn Rothaus schon in seinem Kommentar neben kritischen Laubsägen („große Schacher-Show“, „Fließband-Frohsinn“) beiläufig erwähnte, daß jener Busunternehmer in Norddeutschland „Gebietsschutz“ in Sachen Game-Show-Tourismus genießt, da hätten wir schon gern gewußt, was das ist, wie man an so etwas kommt und was sich dabei verdienen läßt. War aber nicht. Dann doch lieber gleich Harry und seine Kühlschränke. Ist informativer und lustiger sowieso. Reinhard Lüke
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