Clinton heizt das Treibhaus auf

■ Europas Umweltpolitiker müssen ihre Hoffnung auf Bill Clinton vorläufig aufgeben: Die geplante US-Energiesteuer ist gescheitert

Berlin (taz) – Es wird Sommer, das erste Mal mit Bill Clinton als US-Präsident. Der hat seiner heimischen Industrie gerade ein 30-Milliarden-Dollar-Geschenk gemacht. Auf ihren Druck hin hat er jetzt seine Pläne für eine allgemeine, also nicht nur auf Mineralöl beschränkte Energiesteuer aufgegeben. Er wolle nurmehr eine „Verringerung des Haushaltsdefizits, der Zinsen und mehr Jobs“, sagte Clinton im Fernsehen. Wie, das sollten die Senatoren aushandeln.

Im US-Senat wird jetzt über die Einführung einer erweiterten Mineralölsteuer diskutiert, die statt der bisher geplanten 71,5 Milliarden Dollar bis 1998 nur noch 40 bis 50 Milliarden Dollar einbringen soll. Die Industriebetriebe werden dabei nicht stärker belastet. Der Effekt: Die Amerikaner, die heute schon pro Nase doppelt soviel Energie verbrauchen wie die Europäer, drehen die Treibhausheizung weiter rauf. Schon heute sind sie für 18 Prozent der Treibhausgase verantwortlich.

Für Clinton in seinem klimatisierten Weißen Haus hat die Aufgabe der Energiesteuer allerdings auch unangenehme Folgen. Zum einen muß die Administration für die Steuerausfälle von 20 bis 30 Milliarden Dollar Ersatz finden, will sie ihr Ziel erreichen, das Haushaltsdefizit um 500 Milliarden Dollar bis 1998 zu senken. Gedacht ist zum Beispiel an die Kürzung bei Sozialleistungen für Arme und bei den Beihilfen für die Gesundheitsversorgung der US-Senioren.

Das hat die amerikanische Rentnervereinigung AARP aufgebracht, ein Verband mit mehr Mitgliedern als alle US-amerikanischen Gewerkschaften zusammen: Weitere Kürzungen im Gesundheitsbereich seien „ungerecht und unsinnig“. Man werde sich das nicht bieten lassen. Und der „Black Caucus“, ein Zusammenschluß der schwarzen Abgeordneten im Kongreß, sagte demonstrativ ein für gestern abend geplantes Treffen mit Clinton ab. Clinton wolle ihre Wähler zur Kasse bitten, weil er sich gegen die Ölkonzerne nicht durchsetzen kann, schimpften die verärgerten Abgeordneten.

Clintons Finanzminister Lloyd Bentsen räumte ein, daß vor allem die Öllobby einen Sieg errungen hat. „Die großen Ölkonzerne haben ganzseitige Anzeigen geschaltet und alle verantwortlichen Redakteure angesprochen.“ Einzelne schwarze Abgeordnete erklärten, daß sie einem so veränderten Haushalt nicht zustimmen würden. Auch Lobbyisten der Fernfahrer und der Fluggesellschaften kündigten sogleich Widerstand an.

Bei der EG-Kommission in Brüssel reagierte man gestern ganz kühl. Die Clintonschen Steuerpläne hätten im Frühjahr schon Bewegung in die Diskussion über eine EG-Energiesteuer gebracht, so der zuständige Beamte Peter Faross. Aber je mehr sich Schwierigkeiten in Washington abzeichneten, desto mehr seien auch die Initiativen der dänischen EG-Präsidentschaft für eine EG-weite Energiesteuer versandet.

Die EG-Kommission hatte im Juni 1992 ihren Vorschlag für eine Energiesteuer vorgelegt. In der Präambel heißt es allerdings, daß die Steuer nicht in Kraft treten könne, „bis andere Mitgliedsstaaten der OECD ähnliche Steuern oder Maßnahmen mit ähnlichen finanziellen Folgen“ eingebracht hätten.

Martina Krüger von Greenpeace International nannte den Rückzug Clintons gestern ein „fatales Signal“. Auch Greenpeace sei dabei „unsanft gelandet“. Man habe bis zuletzt versucht, die US-Administration bei ihren Steuerplänen zu unterstützen und so die internationale Blockade aufzubrechen. Hermann-Josef Tenhagen Kommentar Seite 10