So übel soll die Nachrede nicht gewesen sein

■ »Praline«-Chefredakteur Jürgen Köpke widersprach Strafbefehl / Asylbewerberin erstattete Anzeige / Prozeß vertagt

In Abwesenheit des Angeklagten wurde gestern vor dem Hamburger Amtsgericht gegen den 64jährigen „Journalisten“ Jürgen Köpke verhandelt. Dem Chefredakteur des Bauer-Blattes „Praline“ und damaligen Verantwortlichen der inzwischen wieder eingestellten ostdeutschen Zeitung „Unsere Illustrierte“ wurde von der Staatsanwaltschaft üble Nachrede vorgeworfen. Einem Strafbefehl von 30 Tagessätzen zu je 200 Mark hatte Köpke widersprochen.

Im Dezember 1991 veröffentlichte die Illustrierte einen Artikel über die Asylbewerberunterkunft in Eisenhüttenstadt. Der Text wurde mit einem Photo bebildert, dessen Unterzeilen den Chef jetzt vor Gericht brachten: „Prostitution: Farbige Frauen bieten sich vor dem Asylantenheim für Geld an.“ Auf dem Bild waren zwei Frauen und zwei Männer zu sehen, die Gesichter mit schwarzen Balken überdeckt. „Die Farbfotografie war nicht ausreichend anonymisiert,“ entschied die Staatsanwaltschaft auf Anzeige einer der Frauen und klagte an.

Als Zeuge geladen war der Reporter Dieter A. Er hatte den Artikel recherchiert und geschrieben. Der seriös auftretende 50jährige redete viel und etwas aufgeregt. „Das war eine objektive Reportage vor Ort,“ beurteilte er seine Arbeit. „Ich habe mitgebracht, was ich recherchiert habe“. Er habe selbst gehört, wie die beiden Frauen mit den zwei abgebildeten Rumänen, ihren Liebeslohn ausgehandelt hätten. „Ihnen war auch klar, daß ich von der Zeitung bin“. Dagegen hatte die Frau in ihrer Anzeige behauptet, ihr sei gesagt worden, das Bild sei für das persönliche Photoalbum.

Photographiert hatte Oliver A., der 22jährige Sohn des Reporters. Nach seiner Aussage, verließ er sich bei der eigenen Arbeit ganz auf den Vater. „Er hat mir gesagt, daß alles in Ordnung ist und da habe ich das Photo gemacht“. Allerdings habe auch er gehört, daß die Frauen um Geld verhandelten.

Richterin Elke Stöhr schien nicht an den Worten der Journalisten zu zweifeln. Es sah nach einem Freispruch aus. Doch Staatsanwalt Bunners verlangte, die beiden photographierten Frauen als Zeuginnen zu hören, deren Adressen bislang noch nicht ausgemacht werden konnten. Da halfen auch keine guten Worte von Bauer-Justitiar Stiebeling, der ebenfalls von einem „sauber recherchierten Artikel“ sprach. So muß sich jetzt die Polizei auf die Suche nach den Frauen machen. Voraussichtlich kann erst in einem halben Jahr weiter verhandelt werden. Torsten Schubert