Zauber der »Voix Bulgares« fast verflogen

Lange ist es her, da war der 24-köpfige Chor des bulgarischen Rundfunks einfach ein über alle Maßen beeindruckendes musikalisches Erlebnis. Die diffizil auskomponierten Stücke mit ihrer komplizierten Rhythmik und der untemperierten Klangmalerei, immer wieder unterbrochen von Stakkato-Schreien, Kiecksern oder Rufen, bewahrten in ihrer hermetischen, berauschenden Volkstümlichkeit einen Kern alter Weisheit und Lebensart. Inzwischen reist das Ensemble auf großen Tourneen durch die Welt und verkauft Programme, die zu einem Viertel Fremdenverkehrswerbung für Bulgarien sind. Überall sehen sie sich einem Publikum gegenüber, dessen Klatsch-Exzesse nach jedem Stück schon mal länger dauern als der Vortrag. Auch die neuen Arrangements unter der neuen Leiterin Vania Moneva haben längst nicht mehr diese ausgetüftelte Gewaltigkeit der ersten Nummern, als der Chor noch an der Schwelle zur Berühmtheit wartete. Vielmehr ist das Ensemble jetzt versucht, Entertainment auf europäischem Konzertniveau zu bieten und dabei geht viel von dem ursprünglichen Geist verloren. Natürlich sind auch die neuen Kompositionen, mit denen die Voix Bulgares gerade ihre Europa-Tournee bestreiten, durch das infernale Singen ein begeisterungswürdiges Erlebnis, selbst wo sie nicht mehr die ganze rhythmische und melodiöse Vielschichtigkeit ausspielen, die in der Musik steckt. Der Zauber aber, die unbekümmerte Klasse einer großen Volkskunst ist, wenn nicht dahin so doch mindestens transparent geworden. tlb