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Kaufleute verursachen Fußgänger-Stau

■ Der Autoverkehr fließt wieder am Herdentor, dafür jetzt aber Menschenknubbel in der Lloyd-Passage

„Die Kampagne läuft sensationell“, freut sich Barlage-Geschäftsführer Gert Teege. „Wir haben einen gewaltigen Zustrom von Unterzeichnern.“ Wovon die Rede ist? Von der groß angelegten Kampagne der Innenstadtkaufleute gegen die Staus rund um die City, mit der sie in den vergangenen zwei Wochen erstens für Furore und zweitens für heftige Reaktion seitens der Bausenatorin gesorgt hatten. Nur: Wer den Stau in der Innenstadt sucht, der wird ihn auf jeden Fall nicht mehr da finden, wo er mal war, nämlich am Herdentor. Jetzt steht nicht mehr Auto an Auto, jetzt knubbeln sich Menschenleiber, und zwar mitten im Herz des Handels: Zwischen T-Shirts und Rollmops in der Lloyd-Passage — und das ist die einzige Baustelle in der Stadt, deren Abwicklung die Kaufleute selbst zu verantworten haben.

Eine Spur im Beidrichtungsverkehr, die Hauptspur immer wieder von Bauarbeiter-Gitterkäfigen unterbrochen, dazwischen bestenfalls Parkbuchten, als Krönung einen Arbeiterkäfig mitten auf der Hauptspur, der Verkehr quetscht sich geradezu rechts und links zwischen Gitterzaun und Hausmauer an der Absperrung vorbei. Waghalsige Brems- und Ausweichmanöver kann man fast minütlich beobachten, überall trifft man auf fluchende VerkehrsteilnehmerInnen. „Sauerei das“, stößt eine Frau hervor, und ein Mann schimpft: „Das ist ja wohl das letzte.“ Nicht auszudenken, wenn das AutofahrerInnen wären. Nur schimpfen die Leute diesmal ausnahmsweise nicht auf Eva-Maria Lemke-Schulte, denn die ist an alledem gar nicht schuld. Diese Baustelle ist auch nicht von Autoabgasen eingenebelt, diese Baustelle betrifft allein die FußgängerInnen.

Seit Anfang Mai wird in der Lloyd-Passage der Fußboden erneuert. Nachdem sich schon kurz nach der Eröffnung 1989 die Fliesen gelöst hatten, hat der Rechtsstreit um die Behebung der Schäden bis heute angedauert, erzählt Passagen-Geschäftsführer Adolf Roßkothen. Und weil die Passage offiziell den Kaufleuten der anliegenden Geschäfte übertragen worden war, waren die bremischen Ämter sowohl bei der Planung, als auch beim Bau nur beratend tätig.

Nachfrage bei der Bausenatorin: Ja, damals habe das Amt für Straßen- und Brückenbau heftig von den geplanten Fußbodenfliesen abgeraten, sei aber auf taube Ohren gestoßen. „Jetzt haben sie den Salat“, sagt Rainer Imholze, Sprecher im Bauressort. „Es wird am Wochenende und am Abend gebaut“, entschuldigt sich Passagen-Verwalter Roßkothen. In vierzehn Tagen ist alles vorbei, hofft er. Und vergleichbar mit dem Herdentor sei das sowieso nicht: „Das geht dabei ja nicht um Verkehr.“

Im Herdentor dagegen herrscht entspannte Atmosphäre: Zwar haben die Kaufleute in der letzten Sonntagszeitung noch einmal kräftig nachgelegt: „Da stauen Sie, lieber Klaus“ und eine Reihe von Unterschriften unter der Forderung „Weg mit den Baustellen!“ Nur war da schon alles zu spät. „Seit Freitag fließt der Verkehr“, muß Barlage-Geschäftsführer Teege zugeben, bei aller Freude über die große Zustimmung der BremerInnen zum Schuß aus der Schimpfkanone. Sogar aus Los Angeles kam die Unterstützung von einem Mann, dessen Bremer Mutter ihm das schreckliche Problem mit den Staus berichtet hatte. Und nun, was sagen die Kaufleute zu all den fahrenden Autos? Gert Teege: „Die Leute sind so verschreckt, daß sie gar nicht mehr in die Stadt fahren.“ Aber: „Wir werden noch mindestens drei Anzeigen schalten. Das Wort Stau wird in der Kampagne in Zukunft nicht mehr zu finden sein.“ J.G.

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