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Gute Infrastruktur in der Aids-Metropole

Vor allem der Selbsthilfebereich ist in Berlin sehr ausgeprägt / Auch in Ostberlin entstanden erste Anlaufpunkte / Die offizielle Senatspolitik setzt auf Aufklärung und Prävention  ■ Von Corinna Raupach

Als Olaf vor drei Jahren in Stuttgart erfuhr, daß sein HIV- Test positiv ausgefallen war, zog der Geographiestudent mit seinem ebenfalls infizierten Freund nach Berlin. „Die Aids-Infrastruktur ist hier einfach besser und außerdem: in Süddeutschland ist Aids gleichbedeutend mit dem sozialen Tod.“

Berlin als die Stadt mit den meisten Infizierten und Kranken in der BRD verfügt über ein breites Selbsthilfeangebot. Die im „Landesverband der Berliner Aids- Selbsthilfegruppen“ (LaBAS) vertretenen Vereine richten sich an verschiedene Betroffenengruppen. „Hydra“ wendet sich an Prostituierte, die Elterninitiative „Tollhaus“ an Familien mit HIV- positiven und exponierten Kindern. Wohnungen an HIV-Positive und Aidskranke zu vermitteln oder unterzuvermieten hat sich „Zuhause im Kiez – zik“ zur Aufgabe gemacht. Im Ostteil der Stadt entstehen mit „pluspunkt“, „jederMann“ und dem „Prenzelberger Aids Projekt“ die ersten Zusammenhänge. Die Berliner Aids- Hilfe (BAH) wurde 1985 aus dem Gedanken der schwulen Selbsthilfe gegründet. Sie leistet vor allem Beratung, Begegnung und Betreuung Betroffener und ihrer Angehörigen, aber auch Öffentlichkeitsarbeit und Prävention. Mit dem Café PositHIV entstand ein selbstverwalteter Treffpunkt.

Der BAH-Tochterverein „Fixpunkt – Verein für suchtbegleitende Hilfen“ unterhält die Projekte „Mobilix“ und „Druckausgleich“. „Unser Ziel ist die Vermeidung von HIV-Infektionen und die Reduzierung von gesundheitlichen Risiken für Junkies“, so Astrid Leicht. Zu „Mobilix“ gehören die acht Spritzenautomaten in der Stadt, der Präventionsbus mit Spritzentausch und Beratung und das Gesundheitsmobil, das medizinische Versorgung an Szenetreffpunkten anbietet. Der „Druckausgleich“ in der Hobrechtstraße ist ein Treffpunkt für Substituierte.

Anlaufstelle und Infopool für schwule Männer soll der Kontaktladen mit angeschlossenem Café von „Mann-O-Meter“ sein. „Wir wollten ein niedrigschwelliges Angebot, denn oft trauen sich die Männer nicht gleich, über Ängste vor Aids zu reden“, sagt Holger Walter. Auch Präventionsarbeit in Kneipen, Parks und Saunen sowie Veranstaltungen zur Gesundheitsvorsorge und der Verkauf von Kondomen zum Einkaufspreis stehen auf dem Programm.

Der Aids-Bereich der Lesbenberatung fiel den Sparmaßnahmen des Senats zum Opfer. Neben Beratung und psychotherapeutischer Betreuung ist hier Aufklärung über die noch kaum bekannten Infektionswege bei lesbischem Sex notwendig. „Wir machen trotzdem weiter“, sagt Barbara Wieler.

Die Aids-Politik des Senats setzt auf Aufklärung und Prävention. „Für uns ist es wichtig, einen angemessenen Umgang mit der Krankheit zu finden“, so Sprecherin Christa Klages. „Das heißt mehr Wissen, mehr Verständnis und mehr Toleranz.“ 19 Aids-Koordinations- und Beratungsstellen bei den Gesundheitsämtern führen kostenlose und anonyme HIV-Antikörpertests durch.

Auf die medizinische Versorgung haben sich das AVK in Schöneberg, die Uniklinika Steglitz und Rudolf Virchow in Wedding sowie die Infektionsklinik am städtischen Krankenhaus Prenzlauer Berg mit einem Aids-Schwerpunkt spezialisiert. Die Charité, das Robert- Koch-Institut und das Institut für Tropenmedizin verfügen über HIV-Ambulanzen. Auch Sozialstationen, ad hoc, HIV und Felix konzentrieren sich ganz auf die Betreuung von Patienten mit HIV und Aids.

Die Broschüre „Selbsthilfe in Berlin“ ist bei LaBAS, Christine Christmann, c/o DPW, Brandenburgische Straße 80, 10713 Berlin zu bestellen.

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