Sachzwänge

■ Nach den Morden in Solingen

Nach den Morden in Solingen

So ist das also. Der BDI macht sich Sorgen wegen der Anschläge in Deutschland. Man höre und staune: nämlich, weil sich solche Dinge auch im Kaufverhalten ausländischer Kunden niederschlagen, und „Häßlichkeit läßt sich schlecht verkaufen“. Aha. Schon schade, das mit der Industrie. Ja, böse Skins, machen die Wirtschaft kaputt, was fällt denen eigentlich ein? Aber, fällt da Herr Bossi aus dem fernen Mölln ein, so böse sind die Skins ja gar nicht, weil nämlich – eigentlich sind die alten Nazis schuld, die den armen, entwurzelten und orientierungslosen (ist braun vielleicht keine Orientierung, weil nicht sein kann, was nicht sein darf?) Jugendlichen ihre alten Hetzparolen einflüstern.

Fazit: Die Mordbuben sind in Wahrheit verführte Kinder, die jetzt in einem politischen Schauprozeß für die Vergehen anderer, „düsterer Drahtzieher“ geopfert werden. Geopfert auf dem Altar einer selbstherrlichen Justiz, deren Mitwirkende alle wissen, „wie man einem Gericht in den Hintern kriecht“. Aha. Geahnt hatten wir so was ja schon immer...

Und abgesehen von der Tatsache, daß es sich bei den Mördern von Mölln nur um zwei Verführte handelt, ist das alles ja auch gar nicht so wichtig. Bezeugt jedenfalls Herr Goerke, eine Auflistung der Gewaltverbrechen von links anführend. Soso. Alles halb so schlimm, Leute, der Feind steht ganz links. Und drum weiß Herr Kohl (dt. Bundeskanzler) auch ganz genau, was er tut bzw. was er nicht tut. Er kann nämlich nicht, auf gar keinen Fall, in die Türkei zu den Begräbnisfeierlichkeiten für die Solinger Mordopfer fliegen. Und das aus mehreren Gründen: Erstens war er da erst vor einer Woche, um die Ehrendoktorwürde entgegenzunehmen, und zweimal innerhalb von zwei Wochen in die Türkei – das geht nun wirklich nicht.

Zweitens: Was sollte denn die türkische Gemeinde von Mölln denken, wenn K.K. auf einmal, auf der berühmt-berüchtigten Beileidstourismuswelle schwimmend, den Solingern seine Referenz erweisen würde, und ihnen nicht – das geht nun wirklich nicht. Außerdem, bitte schön, schickt er ja zwei Minister hin, Herrn Außenminister Gesichtslos und Herrn Innenminister Konturlos zwar, aber trotzdem, dafür sind sie ja auch zu zweit und müssen sich nicht fürchten.

Und drittens wegen der nach wie vor dräuenden Gefahr von links! Man stelle sich vor, Kohl (s.o.) weilt in der Türkei, paßt einen Moment nicht auf und – schwupps! – ist's geschehen, und ein böser Linksterrorist wie zum Beispiel H.-U. Klose (Spezialdemokrat) stürmt mit seiner SPD- Fraktion (siehe Rote-Armee- Fraktion) das Bundeskanzleramt, nimmt den winselnden BuKaamtsminister als Geisel und schwingt sich zum Diktator auf. Läßt die Grenzen zu Bayern (Neu-Stoiberien, unwirtliche Gegend im Süden D.s) abriegeln und sämtliche Flughäfen bewachen, um K.K., der ja aus dem sicheren Drittstaat Türkei einreist, umgehend wieder abschieben zu können, da sein Asylantrag offenkundig unbegründet ist, und ein Einwanderungsland ist die Bundesrepublik ja bekanntlich nicht. Dann müßte Helmut (Kosename für: dt. Bundeskanzler) am Ende nach Chile zu Erich (Kosename für: dt. Staatsratsvorsitzender a.D.) und um Begrabung des Kriegsbeils inklusive Aufnahme in den Club Robinson Crusoe bitten. Das hieße, Deutschland wäre seine zwei bestgehaßten Politiker (wer den einen nicht haßt, haßt den anderen) mit einem Schlag los – aber das wiederum verstieße gegen die Abfallwirtschaftsverordnung (kein nicht unmittelbar dem Recycling-Vorgang zuführbares Material in Staaten der Dritten Welt zu Entsorgungszwecken) – und das geht ja wohl wirklich nicht!

Es wird also jeder halbwegs vernünftige Mensch einsehen, daß es für unseren K.K. ein Ding der Unmöglichkeit ist, in die Türkei zu fliegen, nur um sein Beileid zu bezeugen, wo es sich doch nur um fünf türkische Menschen, die hier lebten, handelt und nicht um an der Startbahn West erschossene Polizisten. Und schließlich sollen auch die Fluggesellschaften keinen Profit aus dem Geschehen ziehen können. Jawoll. [...] Viola Wittmann, Erlangen