"Erinnerungskisten" öffnen Familientresore

■ Eine ungewöhnliche Ausstellung von alltäglicher Geschichte ist noch bis Oktober im Stadtteilarchiv Ottensen zu sehen

ist noch bis Oktober im Stadtteilarchiv Ottensen zu sehen

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2å Per Knopfdruck in die Vergangenheit. Aus dem Kassettenrecorder prasselt der ohrenbetäubende Lärm einer Drahtzugmaschine. Der Hörer möchte sich unwillkürlich die Ohren zuhalten, Arbeitsstreß eines Fabrikalltags erfaßt ihn für einige Minuten. Das Stadtteilarchiv Ottensen in der Zeißstraße 28 hat eine akustische Collage aus Geräuschen und Interviews zusammengestellt. Der Versuch, Geschichte hörbar zu machen.

„Das Sammeln von Tondokumenten war uns bei unserer Arbeit schon immer wichtig“, sagt Elisabeth von Dücker, Mitarbeiterin der 1980 gegründeten Geschichtswerkstatt. Das viertelstündige Feature beschäftigt sich mit der alten Ottensener Drahtstiftefabrik, die 1985, nach über 100 Jahren, ihre Tore geschlossen hat. In ihren ehemaligen Räumen ist jetzt das Stadtteilarchiv untergebracht.

„Metall auf Metall — und dabei hab ich mein Gehör verloren“, heißt die Dokumentation. Sie ist mehr als nur ein Hörstück. Arbeitswelt wird erlebbar. Noch einmal hat die Drahtstiftefabrik in der Zeißstraße ihren Betrieb aufgenommen, lärmen die Maschinen bis an die Schmerzgrenze. Eine ehemalige Arbeiterin erinnert sich: „Von der Fabrik war unsere frisch gewaschene Wäsche ständig voller Ruß.“

Das Tondokument ist Teil einer Ausstellung, die noch bis Oktober in den Räumen des Stadtteilarchivs zu besichtigen ist. „Erinnerungskisten“ — eine ungeordnete Sammlung der verschiedenartigsten Bestandteile des Ottensener Alltags. „Diese Anhäufung von scheinbar Banalem, Beliebigem und Nebensächlichem ohne Unterschied von Bedeutung und Wert hat einen besonderen Reiz, denn diese Sammlung ist nicht spezialisiert oder auf bestimmte Sparten beschränkt wie in vielen Museen“, erläutert ein Infoblatt.

Natürlich ist auch die alte Drahtzugmaschine ausgestellt. Und viele Kisten, Schachteln und Dosen. „Diese Behältnisse haben ihre ursprüngliche Verpackungsfunktion immer wieder gegen die von Schatzkisten, Familientresoren und Privatarchiven eingetauscht“, schreibt das Stadtteilarchiv, „Sie bewahren dann die Erinnerungen, sind Archiv und Abfall gleichzeitig und zeugen vom Aufheben und Wegwerfen, als Nachlaß vom Leben und Sterben.“ Torsten Schubert

Öffnungszeiten: Mo - Mi 9.30 - 13 Uhr und 14 - 16 Uhr, Do. bis 19 Uhr.