: Small-talk mit Würstchen
■ Zu Besuch beim Ortsvorsitzenden / Wie Hamburgs SPD-Mitglieder den Tag der Ortsvereine erlebten / Scharping in Hamburg vorn
erlebten / Scharping in Hamburg vorn
Das SPD-Parteivolk feiert Wiedersehen. Bei der basisdemokratischen Wahl des neuen Bundesvorsitzenden am Sonntag treffen sich viele basisdemokratische Mitglieder, die sich bereits lange aus den Augen verloren hatten. Die Urabstimmung wird zum gemütlichen Small-talk. Schon deshalb ist sie in Hamburg ein Erfolg. Gerhard Schröder, Rudolf Scharping oder Heidemarie Wieczorek-Zeul ist zwar die zentrale Frage am „Tag der Ortsvereine“. Aber verpackt ist der Urnengang in viele kleine Feste.
Deftig-rustikal fällt in Bergstedt im Kreis Wandsbek die Entscheidung. Der Ortsvorsitzende Christian Karsten hat sein Haus zur Verfügung gestellt, Parteimitglieder und Nachbarn persönlich eingeladen. Und damit auch möglichst viele kommen, hat Karsten kräftig aufgefahren. Kaltes Buffet mit den kulinarischen Höhepunkten Würstchen und Nudelsalat. Das zieht. 111 der 140 Bergstedter Mitglieder geben ihre Stimme ab.
Kurz hat auch Henning Voscherau vorbeigeschaut. Ganz diplomatisch antwortet er auf die Frage nach seinem Favoriten: „Ich kann mit allen gut.“ Eine Aussage, die sich nicht unbedingt mit seinem eher gespannten Verhältnis zu Niedersachsen-Chef Schröder deckt. Vielleicht deshalb sein Plädoyer: „Aber nach 130 Jahren eine Frau an der Parteispitze hätte auch einen gewissen Charme.“ Den Bergstedtern ist Bürgermeisters Wunsch Befehl: Heidi bekommt mit 41 Stimmen die größte Unterstützung, für Rudolf bleiben 38, für Gerhard 32 Stimmen.
„Super“ findet Christian Karsten die Wahl. „Wenn eine Partei in der Krise ist, sollte sie sich Rat bei ihren Mitgliedern holen.“ Und er warnt: „Wer von der Parteispitze diese Wahl nicht akzeptiert, kann einpacken.“ Sein persönlicher Tip: „Heidi Wieczorek-Zeul.“ Gerhard Schröder hält er für einen Helmut- Schmidt-Verschnitt. Karstens Frau sammelt unterdessen Unterschriften gegen die Entscheidung um den Paragraphen 218. Auch sie stimmt für „Heidi, denn eine gute Frau als Vorsitzende ist eine neue Chance“.
In Horn macht sich die Nähe zur Rennbahn bemerkbar. Neben der Wahlurne werden Derby-Karten verkauft. Auch hier liegt die Wahlbeteiligung bei 60 Prozent. Der Bürgerschaftsabgeordnete und SPD-Vorsitzende von Horn, Peter Kämmerer, unterstützt die Mobilisierung der Parteimitglieder. „Ich glaube, daß sich der Ausbau dieser Idee lohnen würde.“ Auch Bezirkssenator Peter Zumkley ist begeistert. „Damit steht der nächste Vorsitzende bei der Basis in großer Verantwortung.“ Er selber tippt auf Rudolf Scharping. Und das, so meint er, wäre auch eine gute Wahl für Hamburg. Schröder habe sich zu früh auf ein rot-grünes Bündnis festgelegt. Und das ist nun wirklich das letzte was der biedere Zumkley sich wünscht. Gilt auch für Hamburg.
Die Frau, die den Kaffee- und Kuchentisch versorgt, ist da ganz anderer Meinung. Sie schätzt die „gerade Art von Gerhard Schröder“. Allerdings: „Er hat sich bei den Wählern wohl unbeliebt gemacht, weil er zu schnell an die Spitze drängte.“ Ihre Stimme hat er aber auf alle Fälle. „Im übrigen finde ich die Wahl toll, weil das einfache Mitglied endlich mal nach der Meinung gefragt wird.“ Ob es etwas nützt, da ist sie sich jedoch nicht sicher. „Nach der Wahl muß der Vorsitzende der Basis verbunden bleiben.“
In den Eimsbüttler Stadtteilen Harvestehude, Eimsbüttel-Süd, Stellingen und Rotherbaum liegt die Wahlbeteiligung zwischen 15 und 30 Prozent. Also gering im Vergleich zu anderen Kreisen. „Uns überascht die hohe Wahlbeteiligung“, meint dennoch Wolfgang Kellig, nach eigener Aussage Basismitglied der SPD. „Wir haben heute einen großen Zuspruch von Karteileichen.“ Er selbst steht der Wahl jedoch eher kritisch gegenüber. Denn es sei keine richtige Wahl, weil die Parteitagsdelegierten laut Satzung letztlich über den künftigen Vorsitzenden abstimmen müssen. „Außerdem ist das ein bißchen eine Hauruck-Aktion.“ Längere Vorbereitung wäre besser gewesen. Positiv: „Die freundliche Stimmung. Ein Tag der Begegnung.“
Immerhin: Ein neues Mitglieder haben die Sozialdemokraten in Eimsbüttel gestern auch gewinnen können. Anke Richter, die erst vor eineinhalb Jahren wegen des Hamburger Diäten Skandals ausgetreten war. Ihr Grund: „Ich will unbedingt die Heidi wählen.“ Vielleicht trete sie ja bald wieder aus. „Aber dann hat sie schon meine Stimme - und die Heidi muß einfach kommen.“ Torsten Schubert
Das Hamburger Wahlergebnis: Scharping — 3204 Stimmen, Wieczorek-Zeul — 2919 Stimmen, Schröder — 2874 Stimmen. Die Wahlbeteiligung lag bei rund 50 Prozent.
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