Pharmakonzern als Retter in Not geratener Frauen?

■ betr.: "Paragraph 218, RU 486 usw.", taz vom 3.6.93

betr.: „§218, RU 486 usw“,

taz vom 3.6.93

[...] Überaschend und unglaublich blauäugig ist die Reaktion von angeblich kritischen Politikerinnen und Frauenorganisationen, die sich nun uneingeschränkt für die Zulassung der Abtreibungspille RU 486/PG einsetzen und die Hoechst AG zum Zulassungsantrag zwingen wollen. Ausgerechnet einem multinationalen Pharmakonzern, der sich in den vergangenen Wochen mit Vergiftungen und „Störfällen“ so rührend um seine Mitbürgerinnen gekümmert hat, wird nun die Rolle der Retterin aller in Not geratener Frauen zugeschrieben.

Die Zulassungsgeschichte der Abtreibungspille in Frankreich, wo RU 486/PG 19988 zunächst zugelassen, dann verboten und 1989 schließlich aufgrund heftiger Proteste wieder zugelassen wurde, sollte uns Frauen gelehrt haben, wie werbewirksam sich diese Taktik für die Herstellerfirmen auswirkt. Keine noch so beschönigende Hochglanzbroschüre über die „Ungefährlichkeit“ und 100prozentig „schonende“ Wirksamkeit der Abtreibungspille hätte eine so gute Werbung für ein Pharmaprodukt erzielen können, wie die Proteste von Frauen gegen die vorgeblich zögerliche Haltung von Hoechst.

Überdies werben die Frauen auch noch mit den hauseigenen Argumenten und Statistiken der Herstellerfirma. Auch ins Haus stehende Regreßansprüche werden geringer ausfallen, wenn das Medikament von den zukünftig Geschädigten doch selbst eingefordert wird. [...]

Ein Unterschied zur Zulassungsdebatte jetzt in Deutschland läßt sich jedoch feststellen: Gab es 1989 noch wenig unabhängige Informationen über die tatsächliche Wirkungsweise von RU 486/PG, so steht uns Frauen heute eine breit recherchierte und ausführliche Studie über die Wirkungsweise von RU 486/PG zur Verfügung, die von Renate Klein, Janice G. Raymond und Lynette J. Dumple im vergangenen Jahr als Buch auch in deutscher Sprache herausgegeben wurde.

Hier kann frau und man nachlesen, daß sich das „Wundermittel“ RU 486/PG eben nicht als schonende Abtreibungsmethode erweist. So ist zum Beispiel noch längst nicht erforscht, wie RU 486/PG tatsächlich wirkt und welche langfristigen Nebenwirkungen zu erwarten sind. Abtreibungen mit RU 486 allein werden in keinem der Länder, in denen die Abtreibungspille zugelassen ist, vorgenommen. Da sich herausgestellt hat, daß RU 486 allein genommen nur zu einem ungefähr 60prozentigen Abtreibungserfolg führt, werden den Frauen auch noch Prostaglandine (PG) gegeben, deren Aufgabe es ist, Gebärmutterkontraktionen auszulösen. Dieses Verfahren ist nicht neu. Schon in den siebziger Jahren wurden Abtreibungen mit Prostaglandinen durchgeführt, die für die betroffenen Frauen äußerst schmerzvoll und wenig schonend waren. Die Proteste seitens der Frauenbewegung, die 1980 ihren Höhepunkt fanden („Für eine humane Abtreibung – gegen Prostaglandine“) sind – so scheint es – längst wieder in Vergessenheit geraten.

Dies sind nur zwei Argumente aus einem Katalog von Gegenargumenten, die zeigen, daß RU 486/PG mehr Gefahr als Wundermittel ist. Auch der Tod einer Frau in Frankreich nach Einnahme der Abtreibungspille scheint keine Rolle zu spielen im gemeinsamen Kampf mit einem skrupellosen Pharmagiganten.

Wir denken, daß alle Frauen, die das Abtreibungsurteil von Karlsruhe nicht hinnehmen wollen, sich mehr denn je darauf konzentrieren sollten, wie sie dieses Gesetz kippen und bis dahin unterlaufen können. Das weitere Festhalten an der ersatzlosen Streichung jeglicher Abtreibungsverbote und der Einsatz für die Verbesserung bereits vorhandener Abbruchmethoden wie z.B. das Absaugen sind unseres Erachtens die einzig möglichen Antworten auf Frauenverachtung à la Karlsruhe. [...] Petra Busmann,

Birgit Moxter,

Gudrun Müller,

Monika Zabolitzki,

Frankfurt am Main