Von Siegen lernen heißt Siegen lernen

Berlin (taz) – Das letzte, was sich die Trainer von TSV Siegen und Grün-Weiß Brauweiler für das 13. Pokalfinale der Frauen wünschten, war ein Elfmeterschießen. „Wir sind keine Elfmeterkünstler“, postuliert Siegens Coach Gerd Neuser, Brauweilers Thomas Meyer kann das nicht auf sich sitzen lassen: „Unser Elfmeter-Syndrom ist noch größer.“ Erst vor kurzem brachte ein verschossener Strafstoß der Ungarin Annamaria Agocs das Ausscheiden der Rheinländerinnen in der Meisterschaft gegen Niederkirchen.

Angesichts dieser Angst der Schützinnen vorm Elfmeter war es sehr beachtlich, was sich auf dem Rasen des Olympiastadions abspielte, als das Match nach 100 Minuten endgültig 1:1 geendet hatte. Ein Strafstoß nach dem anderen landete in den Maschen, elfmal hatte die Torhüterin keine Chance, dann war die Reihe an Annamaria Agocs, und Silke Rottenberg im Siegener Tor hielt. „Ich kannte ihre Ecke“, sagte die Keeperin, was auch kein Wunder ist, schließlich bewachte sie vor gar nicht langer Zeit noch das Tor von Brauweiler.

Seit Jahren pflegt der TSV Siegen seine Unschlagbarkeit – in der Bundesliga wurde in drei Jahren nur einmal verloren – unter anderem dadurch zu bewahren, daß er der Konkurrenz die besten Kräfte weglockt. Wer gegen Siegen auftrumpft, hat einen Vertrag fast sicher, und vor zwei Jahren waren es eben zwei Spielerinnen aus Brauweiler, die den viermaligen Meisterinnen und viermaligen Pokalsiegerinnen eine bittere 0:1-Niederlage im Cup-Finale verabreichten. Silke Rottenberg mit phänomenalen Paraden und Michaela Kubat mit ihrem Kopfballtor.

Beide stehen inzwischen folgerichtig im Siegener Team, dennoch war Brauweiler am Samstag dem Sieg erneut sehr nahe. „1991 haben wir schlechter gespielt, aber mehr Glück gehabt“, meinte Trainer Meyer. Während die Grün-Weißinnen vor allem in der ersten Halbzeit mit flüssigen, direkten Kombinationen und überlegener Technik brillierten, brachte Siegens hochgelobter Angriff mit Silvia Neid und Doris Fitschen kaum etwas zustande.

Bettina Wiegmann, überragende Spielerin auf dem Platz, erzielte kurz vor der Halbzeit das hochverdiente 1:0 für Brauweiler, nach der Pause kamen die Siegenerinnen aber vor allem dank ihrer körperlichen Überlegenheit besser ins Spiel. Einen Kopfball von Silvia Neid konnte Torfrau Manuela Goller gerade noch zur Ecke lenken, kurz darauf köpfte Nationalspielerin Doris Fitschen – zu Saisonbeginn aus Wolfsburg gekommen, nachdem der TSV dort verloren hatte – den Ausgleich. Dabei blieb es bis zum Ende der Verlängerung, und als Bettina Wiegmann kurz vor dem Abpfiff ihre zweite dicke Chance nicht nutzen konnte, kam der Auftritt von Annamaria Agocs als untröstlich tragische Figur. „Unser erster Triumph im Elfmeterschießen“, jubilierte Gerd Neuser, aber auch Kollege Meyer witterte Morgenluft: „Daß wir fünf hintereinander versenkt haben, haben wir noch nie geschafft. Jetzt arbeiten wir daran, daß wir sechs versenken.“Matti

TSV Siegen: Rottenberg - Euteneuer - Nardenbach, Camper - Fitzner (63. Veldhuizen), Unsleber, Fitschen, Neid, Czyganowski - Kubat, Mink (58. Meyer)

Grün-Weiß Brauweiler: Goller - Lovasz-Anton - A. Klein, Schwind - Hanushek (73. Schön), Nagy, Bernhard, C. Klein (90. Fodor), Wiegmann - Staubitz, Agocs

Tore: 0:1 Wiegmann (38.), 1:1 Fitschen (42.)

Pokal-Finale der Frauen: TSV Siegen - Grün Weiß Brauweiler 1:1 (1:1, 0:1) n.V.; 6:5 im Elfmeterschießen