Neuer Anlauf für Vance-Owen-Plan

Gespräche über Bosnien-Herzegowina in Genf / Präsidentschaft tagte erstmals wieder unter Beteiligung von Kroaten und Serben / Owen und Stoltenberg heute in Bonn  ■ Aus Genf Andreas Zumach

Vor dem Hintergrund anhaltend schwerer Kämpfe zwischen allen drei bosnischen Volksgruppen sind gestern nachmittag in Genf die neun Mitglieder der zehnköpfigen Präsidentschaft Bosnien-Herzegowinas zu Beratungen über die Umsetzung des Vance- Owen-Planes zusammengetreten. An der Sitzung unter Leitung des muslimischen Präsidenten Alija Izetbegović – formal der Vorsitzende des Gremiums – nahmen zum ersten Mal seit vielen Monaten auch dessen serbische und kroatische Mitglieder teil.

Der Vance-Owen-Plan sieht für die Zeit bis zu Wahlen für die Parlamente Bosnien-Herzegowinas sowie der geplanten neun Provinzen eine mindestens einjährige Interimsphase vor, in der das Land von einem neunköpfigen Gremium aus je drei Serben, Kroaten und Muslimen regiert werden soll. Die Verwaltungsstrukturen auf nationaler und Provinzebene sollen in dieser Periode entsprechend besetzt werden.

An den bisherigen drei Gesprächsrunden über die Umsetzung dieses Interimsplanes hatten sich bislang jedoch nur die von Izetbegović geführten bosnischen Muslime und die Kroaten unter Mate Boban beteiligt. Allerdings gelang auch hier bislang keine Einigung über eine Umsetzung des Interimsplanes zumindest in den drei fast ausschließlich von Muslimen und Kroaten bewohnten zentralbosnischen Provinzen. Ob sich bei einer etwaigen Verständigung unter den Mitgliedern des Präsidiums künftig auch die bosnischen Serben unter Radovan Karadžić wieder an Gesprächen zur Umsetzung des von ihnen zwischenzeitlich mehrfach für „tot“ erklärten Vance-Owen-Plans beteiligen werden, war gestern noch offen.

Der Sprecher der internationalen Konferenz zu Ex-Jugoslawien, Fred Eckhard, gab bekannt, daß sowohl Karadžić als auch Boban ihre Teilnahme an dem für Mittwoch in Genf geplanten Gipfeltreffen zwischen Izetbegović und den Präsidenten Serbiens und Kroatiens, Slobodan Milošević und Franjo Tudjman, angekündigt haben. Entgegen seiner vorherigen Zusage war Boban allerdings am Wochenende nicht in Genf zu Gesprächen mit den beiden Vorsitzenden der Jugoslawienkonferenz, David Owen und Thorvald Stoltenberg, sowie mit Izetbegović erschienen.

Owen und Stoltenberg flogen daraufhin am Samstag kurzfristig nach Zagreb, wo sie sowohl Boban wie Tudjman trafen. Vor ihren Genfer Gesprächen mit Izetbegović gestern morgen lehnte Owen noch einmal entschieden ein Aufhebung des Waffenembargos gegen die bosnischen Muslime ab. Am heutigen Montag wollen Owen und Stoltenberg in Bonn Bundesaußenminister Klaus Kinkel über den Stand der Bemühungen zur Umsetzung des Vance- Owen-Plans unterrichten.