Umweltverbände wollen Energiekonsens

In einem Schreiben werfen Greenpeace, BUND und IPPNW den Politikern Blockade der Gesprächsrunde vor / Marschiert SPD bei Ausstieg der Grünen in Richtung CDU?  ■ Von Gerd Rosenkranz

Berlin (taz) – Die an den Energiekonsensgesprächen beteiligten Umweltverbände fürchten, daß die Bemühungen um eine Energiewende schon bei der nächsten Sitzung am 30. Juni wahl- und koalitionstaktischen Überlegungen der Parteien geopfert werden. Hinweise auf ein vorzeitiges Platzen der Verhandlungsrunden hatten sich verdichtet, nachdem ein ursprünglich für den kommenden Donnerstag angesetztes Treffen von den Politikern abgesetzt worden war. An den Gesprächen nehmen neben den Parteienvertretern eine gesellschaftliche Arbeitsgruppe aus Vertretern der Industrie, der Stromwirtschaft, der Gewerkschaften und der Umweltverbände teil.

In gleichlautenden Schreiben an die Verhandlungsführer der Parteien verlangen die Vertreter von Greenpeace, BUND und der Internationalen Ärzte zur Verhinderung eines Atomkriegs (IPPNW) nun, daß die gesellschaftliche Arbeitsgruppe an der für den 30. Juni anberaumten Politikerrunde beteiligt werden. „Alleinige Gespräche der Parteien scheinen einen Fortgang der Energiekonsens- Gespräche nicht zu gewährleisten“, heißt es in dem Brief an Wirtschaftsminister Rexroth (FDP), Umweltminister Töpfer (CDU), den niedersächsischen Ministerpräsidenten Schröder (SPD) und den hessischen Umweltminister Fischer (Bündnis 90/Grüne). Angesichts der „hohen Dringlichkeit für eine energiepolitische Wende“ müßten alle relevanten Themenbereiche – genannt werden: Energiesparen, Energieeffizienz, regenerative Energiequellen und der Ausstieg aus der Atomenergie – en detail verhandelt werden.Insbesondere den Bonner Regierungsparteien legen die Vertreter der Umweltverbände die Blockade der Gespräche zur Last. Ihr bedingungsloses Festhalten an der Atomenergie und die Weigerung über Alternativen konkret zu sprechen, trügen „Züge einer Verweigerungshaltung“. Falls eine Verständigung unter Beteiligung der Parteien nicht möglich sei, halten Greenpeace, BUND und IPPNW „eine Fortsetzung der Gespräche unter den gesellschaftlichen Gruppen ohne Beteiligung der Parteien für erwägenswert“.

Hintergrund der Initiative der Umweltverbände ist vor allem die Befürchtung, die Grünen könnten die Konsensrunde verlassen, ohne die möglichen Konsequenzen genügend bedacht zu haben. Joschka Fischer hatte nach der letzten Verhandlungsrunde Ende Mai der Union „Betonköpfigkeit“ in der Frage der Atomenergie vorgeworfen und die Gespräche für „tot“ erklärt. Als „besorgniserregende Entwicklung“ wertete Fischer, daß Teile der SPD offenbar bereit seien, sich mit Blick auf die Frage der Zukunft der Kohle und deren Finanzierung in Nordrhein-Westfalen und im Saarland von den Unionsparteien erpressen zu lassen. So sei weder eine energiepolitische Wende noch die Ablösung der konservativen Regierung in Bonn zu erreichen. Die Umweltverbände glauben, daß nach einem möglichen Ausscheiden der Grünen auch sie ihre Vertreter früher oder später zurückziehen müßten. Ein Verharren würde unter diesen Umständen ihrer Glaubwürdigkeit schaden. Andererseits sorgt man sich, daß „die SPD noch rascher in Richtung CDU marschiert“, wenn die AKW-Gegner die Konsensrunde verlassen.

Bei den Konsensgesprächen geht es letztlich um den Einstieg in ein neues Energiesystem auf der Grundlage hoher Effizienz regenerativer Energiequellen, einem abnehmenden Anteil fossiler Brennstoffe und dem Verzicht auf Atomenergie. Die Runde hatten der kürzlich verstorbene, frühere Veba-Chef Klaus Piltz und der RWE-Vorsitzende Friedhelm Giske mit einem Brief an den Bundeskanzler initiiert, in dem diese sich für ein „geordnetes Auslaufen“ der derzeit betriebenen Atomreaktoren aussprachen. Das Schreiben wurde in der Öffentlichkeit als Einstieg in den Ausstieg aus der Atomenergie interpretiert. Davon ist allerdings auf Seite der Regierung und der Atomindustrie inzwischen keine Rede mehr. Die Befürworter der Atomenergie verstehen die Verhandlungsrunde zunehmend als reine Maßnahme zur Zukunftssicherung der nuklearen Stromerzeugung.