Leise Töne vom SPD-Trio am Tag der Entscheidung

■ Am „Tag des Ortsvereins“ gingen Schröder, Scharping und Wieczorek-Zeul pfleglich miteinander um / Heute wird geprüft, ob sie das Wort der Basis bindet

Düsseldorf (taz) – An der Eingangstür der Düsseldorfer Stadthalle suchte der Genosse Rainer Maria Schlitter noch in letzter Sekunde das sozialdemokratische Publikum auf seine Favoritin Heidi Wieczorek-Zeul einzustimmenn. Die hessische Politikerin sei im Gegensatz zu den männlichen Kandidaten „einsichtig genug, zu sehen“, daß der Parteivorsitz allein die ganze Kraft einer Person erfordere. Damit unterscheide sie sich „wohltuend“ von den „Politmachos“, und deshalb müsse sie Vorsitzende werden.

Ein führender SPD-Politiker aus NRW dagegen wähnte die Partei auf dem Weg ins gesellschaftliche Abseits, käme die hessische Genossin an die Spitze: „Das wäre der Anfang vom Ende der SPD.“ Nun, in der Düsseldorfer Stadthalle selbst, beim letzten – live von RTL und WDR übertragenen– Wahlkampfauftritt waren die Sympathien eindeutig verteilt. Gemessen an dem Applaus in der von ca. 2.000 Menschen besuchten Veranstaltung lag die „rote Heidi“ ganz klar in Front. Manche aus der recht verdrießlich dreinschauenden Garde der Düsseldorfer SPD-Landespolitiker suchte die Stimmung mit dem „nicht repräsentativen Ort“ zu erklären. Tatsächlich prägte ein feines Publikum, weit weg vom Schweiß und den Schwielen traditioneller SPD-GenossInnen, das Bild in der Halle. Die Traditionalisten hofften gestern auf eine hohe Wahlbeteiligung. Dann, so ihr Kalkül, „wäre Heidi weg“. Gegen Mittag meldeten viele Ortsvereine und Unterbezirke eine unerwartet hohe Wahlbeteiligung. Bis 13 Uhr hatten vielerorts schon über ein Drittel der insgesamt 896.000 Mitglieder ihre Stimme abgegeben. Beim Aufgalopp des Trios in Düsseldorf wagte niemand Prognosen. Selbst professionelle Wahlforscher, wie der Chef des Dortmunder Forsa-Instituts, Manfred Güllner, hielten sich bedeckt. Seriöse Erhebungen bei den SPD- Mitgliedern habe es nicht gegeben. Deshalb, so Güllner, komme jede Prognose „Kaffeesatzleserei“ gleich. Immerhin, auch Güllner glaubte, daß Wieczorek-Zeul in den letzten Wochen Boden gutgemacht habe. In Düsseldorf war sie die einzige, die eine auf die SPD- Mitgliedschaft gemünzte Rede hielt, die einen innerparteilichen Wahlkampf führte und um die Stimmen der GenossInnen rang. Schröder und Scharping redeten dagegen eher so, als gelte es eine Diskussion mit Kohl zu bestehen – mit staatsmännischem Gestus immer das Wahlvolk als Ganzes im Blick. Am meisten Applaus bekam die Hessin, als sie versprach, im Falle ihrer Wahl die „SPD als Mitgliederpartei zu stärken“ und eine Mutation in „eine Medienpartei à la USA“ zu verhindern. In der Stadthalle machte sie damit Punkte, offenbar mehr als bei den Fernsehzuschauern. Eine nicht repräsentative Telefonumfrage während der Live-Übertragung sah Schröder mit 38% vorn, gefolgt von Scharping mit 36%, und mit 26% landete Wieczorek-Zeul auf Platz drei.

Bei einem knappen Ergebnis, so hatte der amtierende Parteichef Johannes Rau noch am Freitag erklärt, werde man über das weitere Vorgehen mit den Kandidaten noch einmal reden müssen. Bei einem knappen Ergebnis könnte der Parteitag am 25. Juni das Mitgliedervotum nach Raus Vorstellungen noch einmal korrigieren. Ob das die Mitglieder schlucken, steht dahin. Walter Jakobs