Schürzenliesln

■ „Feldforschung Hausfrauenkunst“ zum Letzten im Schlachthof: Elke Prieß' „Die Schürze“

„Feldforschung Hausfrauenkunst“: Für eine wie mich, die lange von zu Hause weg war und jetzt wie ein blindes Huhn im Bremer kulturellen Leben scharrt, klingt das nach Volkshochschule, nach Töpferkurs, Ikebana und Batik, nach ABM und tapfer verkünstelter Larmoyanz, also nach: nichts verpaßt, was seit Oktober unter diesem Titel in acht Ausstellungen im Schlachthof zu sehen gewesen ist.

So ignorant und mißtrauisch trabt man dann zur letzten, zur neunten Ausstellung hin — „Die Schürze“ — und schleicht beschämt nach Hause: zerplatzt ist das bequeme Vorurteil, und heilsam die Erkenntnis: leider sehr viel verpaßt, wenn die vorhergegangenen acht Ausstellungen des Projekts dem Hausfrauenalltag ebenso groteske Züge abgewinnen konnten, wie diese neunte.

Am Schürzenbändel hängen zunächst einmal die vielfältigsten Assoziationen, an die Renate Neumann in ihrer Ausstellungseröffnungsrede erinnerte: die Sauberkeit, das Mütterliche, das Sexuelle (beim „Schürzenjäger“) und das Laszive männlicher Porno- Phantasien, in denen Dienstmädchen wie Josefine Mutzenbacher unter der Schürze gar nichts tragen.

Schürze war einst das Synonym für Jungfernschaft, für Koketterie adliger Damen im Rokoko; eine Schürze trägt sogar die Prinzessin im „Froschkönig“, während sie mit dem Frosch um ihren goldenen Ball verhandelt; den Zipfel der Schürze stopften sich kleine, verlegene Mädchen früher in den Mund, und jede von uns wird sich vermutlich an eine schwitzende Tante oder Oma erinnern können, die ihre Korpulenz aus buntbedruckten und stets zu engen Kittelschürzen hervorquellen ließ.

Mit Schürze ist „Mama“, ist Hure und Niedlichkeit verbunden, die Nabelschnur, der Schmutz und Schutz vor Schmutz. Aber schier unerschöpflich sind die Möglichkeiten, wenn man sich, wie Elke Prieß, daran macht, all diese Assoziationen zu materialisieren, sie am Objekt Schürze künstlerisch auszuformulieren und eine Modenschau präsentiert, die alles verwertet, was Küche und Heim zu bieten haben.

Da gibt es die Konditorschürze aus dicht aneinandergeklebten Pralinentütchen; die Putzschürze aus Scheuerschwämmen mit neckischem Tüllblümchen auf jedem Schwamm; die gemütvolle Mama- Schürze mit ausgestopftem Busen und ausladender Hüftpartie; die praktische Schneiderschürze mit aufgenähten Nadelkissen; die mit dem Klammerbeutel gepuderte Schürze aus zwei rosaroten Lackherzen; die Schürze aus Teddystoff und Leopardenmuster mit Pfoten in Topflappenform dazu; die Schürze mit abknöpfbarem Busenteil und die aus schwarzem Leder mit Bauchtäschchen für die Peitsche.

Und schließlich, als Höhepunkt wie bei jeder Modenschau, die auf sich hält: die schneeweiße Schürze für die Braut, so sinnreich konstruiert, daß aus dem Schleier eine Schleppe wird, und aus der Schleppe dann ein Schal, den sich die Braut schon auf der Hochzeit um den Hals schlingt, damit sie gleich ungehindert ihres hausfraulichen Amtes walten kann.

Die Schürze — ein Alltagsgegenstand, dessen verborgene und groteske Schönheit vermutlich noch nie mit so viel Hingabe wie im Schlachthof ausgelotet worden ist. Gefehlt hat nur — als Referenz an den Ausstellungsort - die Schürze der leidenschaftlichen Fleischköchin. Das heißt: die war ja sogar vertreten. Oder wie soll man die herzigen Lämmchen deuten, mit denen Renate Neumanns Cocktailschürze von Horten bedruckt gewesen ist?

Der Kitsch aus der Haushaltsabteilung eines Kaufhauses gegen die Kunst der phantasierten Schürzen — im Niemandsland dazwischen werkelt die Hausfrau vor sich hin.

Sybille Simon-Zülch

Die Ausstellung von Elke Prieß „Acryobjekte — Haushaltsgegenstände“ ist im Schlachthofturm, geöffnet Sa. 15-17h, So 12-15h. Bis 3.Juli.