■ Helmut Kohl darf sich auf Post aus den Niederlanden freuen
: Massenprotest aus Holland

Amsterdam (taz) – Wer dieser Tage in den Niederlanden ein Bahnticket kauft, darf dazu eine brisante Postkarte vom neben dem Schalter liegenden Stapel nehmen. Gratis. Überall in den Städten hängen hinter Schaufensterscheiben Plakate mit dem stets gleichen Text: „Ik ben woedend.“ Wütend, weil in Solingen fünf unschuldige Frauen und Mädchen umgekommen sind.

Die Aktion in dem Land, in dem schon vor den Morden von Solingen Umfragen besagten, daß die Niederländer die Deutschen nicht mögen (Stichworte: „Arroganz, Rechtsextremismus, Herrschaftsstreben“, die Wahrheit berichtete), wurde von einem der populärsten Radioprogramme initiiert: „the Breakfast Club“, das Morgenmagazin des dritten Programms von Radio Niederlande. Ungefähr eine Million Menschen hören den „Breakfast Club“ täglich von sechs bis neun Uhr.

Maarten Vermee, Regisseur bei der Popwelle, freut sich: „Wir haben fünf Millionen Karten ausgelegt, auch auf Postämtern, in Kneipen usw., eine halbe Million Karten kamen bislang zurück.“ Allein am 14. Juni kamen 200.000 Stück.

Ziel der Kampagne sei es nicht, so Maarten Vermee, die weitverbreiteten antideutschen Ressentiments auszunutzen. „Als dergleichen in Frankreich oder im belgischen Antwerpen passierte, da haben wir uns genauso empört.“ Die Postkarten mit der Aufschrift „Ik ben woedend“ sollen Helmut Kohl in den nächsten Tagen überreicht werden. Man habe bereits Kontakt mit dem Bundeskanzleramt aufgenommen, einen Termin gebe es noch nicht. Sage der deutsche Kanzler jedoch ab, so müsse eben Bundespräsident Richard von Weizsäcker mit einem Besuch des Teams vom „Breakfast Club“ rechnen.

Die Aktion schlägt ein: Drei der vier holländischen Fernsehprogramme wollen ab sofort am Abend Reklame dafür machen, ebenso diverse Radiosender. In dieser Woche werden auch den holländischen Tageszeitungen insgesamt 4,5 Millionen Exemplare mit einem ähnlich lautenden Text beigelegt. Maarten Vermee: „Unser Parlament, die zweite Kammer, hat uns eine zustimmende Erklärung geschickt, nur ein Zentrumspolitiker hat nicht unterschrieben.“ Vermee nennt ihn „rechtsradikal“. Falk Madeja