Bill Clinton als Eintagsökologe

Die USA haben in der Umweltpolitik verbal eine Kehrtwende vollzogen, aber die Maßnahmen bleiben aus / Teil 4 der Rio-Serie  ■ Aus Washington Andrea Böhm

Da schreibt einer einen Bestseller zum Thema Ökologie, der ihm die Anerkennung der Umweltschützer und das Mißtrauen der Konservativen einbringt – und dann wird der Autor auch noch Vizepräsident der USA. Doch seit er zusammen mit Bill Clinton seinen Amtseid abgelegt hat, ist von Al Gore nicht mehr viel zu hören oder zu merken. Im April meldete er sich wieder zu Wort – jedoch nur mittelbar durch seinen obersten Dienstherren Clinton. Der versprach anläßlich des Earth Day nicht nur, endlich die beim Erdgipfel in Rio präsentierte Konvention zum Artenschutz zu unterzeichnen.

Clinton sicherte auch zu, die Emissionen aller Treibhausgase bis zum Jahr 2000 auf dem Stand von 1990 zurückzuschrauben. Bei der Bekämpfung des Treibhauseffektes, so der US-Präsident, müsse die USA weltweit die Führung übernehmen. Diese Rolle steht ihr durchaus an, wenn man bedenkt, daß die USA mit fünf Prozent der Weltbevölkerung 25 Prozent der Kohlendioxid-Emissionen verursachen. Um das gesteckte Ziel bis zum Jahr 2000 zu erreichen, müßte das Land seine Kohlendioxid-Emmissionen gegenüber dem Trend um rund 100 Millionen Tonnen senken.

Sowohl die Unterzeichnung der Artenschutzkonvention als auch die Zusage für eine Reduzierung der Klimagase hatte die Bush-Administration verweigert und damit in Rio für den großen Eklat gesorgt. Folglich zeigten sich Umweltschutzgruppen in den USA von der Ansprache des Präsidenten durchaus erfreut; da war endlich einmal die Handschrift von Al Gore zu erkennen.

Denn bis dato ließen umweltpolitische Erfolgsmeldungen des Duos Bill Clinton und Al Gore auf sich warten: Entgegen Versprechungen aus dem Wahlkampf ließ die neue Administration die größte Verbrennungsanlage für Sondermüll in Betrieb gehen. Der Versuch, weite Landstriche in den westlichen Bundesstaaten vor Überweidung und Abholzung zu schützen, scheiterte am Widerstand im Kongreß. Und die geplante Energiesteuer, die vor allem die Nutzung ineffizienter und umweltschädigender Energieträger unattraktiv machen sollte, ist inzwischen durch den Protest industrieller Lobbygruppen und dem Widerstand im Kongreß demontiert worden.

Ergo mischt sich in den Beifall von Umweltschutzorganisationen wie Greenpeace, Friends of the Earth oder dem Environmental Defense Fund auch eine gehörige Portion Skepsis. Der Teufel, so Steve Kretzmann, der für die US- Sektion von Greenpeace die Kampagnen zum Thema Energie und Klima koordiniert, liegt sowohl in den Details, als auch in der Formulierung. Die Details zur neuen Klimapoltik hat Clinton vorerst im Dunkeln gelassen, und mehrere Arbeitsgruppen damit beauftragt, bis August einen Aktionsplan zusammenzustellen. Weil Clinton bei seinem Gelübde zum Earth Day nur allgemein von Treibhausgas-Emissionen sprach, befürchtet Kretzmann, daß man sich vor allem auf die Reduzierung der Emissionen von Treibhausgasen wie zum Beispiel Methan konzentriert, sich um das Hauptproblem aber herumdrückt: nämlich um die Kohlendioxid- Emissionen, die beim Verbrennen von Öl und Kohle entstehen oder aus jedem Autoauspuff entweichen. Den immensen Verbrauch anzugehen ist entscheidend bei der Bekämpfung des Treibhauseffekts – und gleichzeitig eine gigantische politische Aufgabe. „Es fordert fundamentale Änderungen in der Energiepolitik“, sagt Kretzmann. „Und das in einem Land, in dem die Menschen die uneingeschränkte Nutzung des Autos für ein angeborenes Recht halten.“

Ob sich Bill Clinton auf diesen Kampf einlassen will, scheint mehr als fraglich zu sein. Schon die Art und Weise, mit der sich Industrieverbände von der im Haushaltsplan integrierten Energiesteuer befreit haben, gibt wenig Anlaß zu Optimismus. Durch eben diese Energiesteuer, deren Bemessungsgrundlage der Wärmegehalt der jeweiligen Energieträger ist, sollte laut dem Präsidenten bereits ein Viertel der geplanten Reduktionen von Treibhausgas-Emissionen garantiert werden. Diesen Prozentsatz wird die Administration nun deutlich nach unten korrigieren müssen.

Schon 1989 hatte sich gegen die immer lauteren Warnungen der Ökologiebewegung vor einem Treibhauseffekt ein illustrer Verein unter dem euphemistischen Namen Global Climate Coalition gebildet. Gründungsmitglieder sind unter anderem die Ölkonzerne Texaco und Arco, der Verband der amerikanischen Autohersteller sowie der Chemiekonzern DuPont, Erfinder der Fluor- Chlor-Kohlenwasserstoffeund damit faktisch einer der Hauptverursacher des Ozonlochs. In den Zeiten der Bush-Administration hatte die Global Climate Coalition nicht viel zu tun, doch inzwischen dürfte man in den Konzernetagen auf erhöhte Einsatzbereitschaft geschaltet haben.

Wie erfolgreich solche Lobbyarbeit nicht nur auf politischer Ebene, sondern auch unter Wissenschaftlern sein kann, hatte DuPont in den achtziger Jahren demonstriert, als es um den Einfluß von FCKWs auf das Ozonloch ging. Unter dem Titel „Alliance for Responsible CFC Policy“ (Allianz für eine verantwortungsvolle FCKW-Politik) hatte der Konzern im Wahljahr 1980 sowohl Verbraucher wie Produzenten von FCKWs zusammengebracht, die jahrelang im Kongreß gegen weitreichendere FCKW-Verbote mobilisierten. Nach der Wahl von Ronald Reagan zum Präsidenten stellte der Chemieriese die Suche nach Alternativen zu den FCKW sogar vorläufig ein.

Gleichzeitig gelang es dieser Koalition, kritische Wissenschaftler für lange Zeit als unseriös zu diskreditieren und schlicht an der Behauptung festzuhalten, daß der Absatz für FCKW-haltige Produkte stagniere und deshalb keine weiteren Einschränkungen nötig seien. Erst 1986 schwenkte der Konzern um und präsentierte sich plötzlich als umweltbewußter Chemieriese mit der Selbstverpflichtung, bis zum Jahr 2000 keine FCKW-haltigen Produkte mehr herzustellen. 1990 bekam das Unternehmen von der US-Umweltschutzbehörde dafür einen Preis für besondere Verdienste um den Schutz der Ozonschicht. Der Ruf war gerettet, nur das Ozonloch ist dadurch kein bißchen kleiner geworden.

Nun geschah all dies in der Amtszeit der Präsidenten Ronald Reagan und George Bush, für die staatliche Eingriffe für den Umweltschutz und gegen die Industrie ein politisches Sakrileg darstellten. Im Augenblick sieht es so aus, als ob die Clinton-Administration beim Problem des Treibhauseffekts genauso mit sich umspringen läßt.