Dokumentation
: Die Übergangsregelung in Sachen Par.218

■ Im Wortlaut: Wie sich die Karlsruher Richter moderne Abtreibung vorstellen

In der gesamten Bundesrepublik gilt nach dem Karlsruher Urteil ab heute eine Übergangsregelung in Sachen §218, die gültig bleibt, bis das Parlament sich zu einer neuen Gesetzgebung durchgerungen hat. Schwangerschaftsabbrüche sind nach dem Spruch der Karlsruher Richter plus Richterin künftig rechtswidrig, aber nicht strafbar, wenn eine Frau innerhalb der ersten zwölf Wochen nach vorangegangener Zwangsberatung abtreibt (=Fristenregelung mit Beratungspflicht). In diesem Fall bezahlt die gesetzliche Krankenkasse künftig den Eingriff nicht mehr, das heißt, Frauen müssen etwa 300 (preiswertester ambulanter Abbruch) bis zu 1.800 Mark (stationärer Abbruch) für eine Abtreibung bezahlen, wenn sie die Fristenregelung in Anspruch nehmen.

Darüber hinaus gelten weiterhin die medizinische und die eugenische Indikation. In beiden Fällen bezahlen die gesetzlichen Krankenkassen den Eingriff.

Auszüge aus der Übergangsreglung:

2. §218 des Strafgesetzbuches in der Fassung des Schwangeren- und Familienhilfegesetzes findet keine Anwendung, wenn die Schwangerschaft innerhalb von zwölf Wochen nach der Empfängnis durch einen Arzt abgebrochen wird, die schwangere Frau den Abbruch verlangt und dem Arzt durch eine Bescheinigung nachgewiesen hat, daß sie sich mindestens drei Tage vor dem Eingriff von einer anerkannten Beratungsstelle (vgl. Nummer 4 dieser Anordnung) hat beraten lassen. Das grundsätzliche Verbot des Schwangerschaftsabbruchs bleibt auch in diesen Fällen unberührt.

3. (1) Die Beratung dient dem Schutz des ungeborenen Lebens. Sie hat sich von dem Bemühen leiten zu lassen, die Frau zur Fortsetzung der Schwangerschaft zu ermutigen und ihr Perspektiven für ein Leben mit dem Kind zu eröffnen; sie soll ihr helfen, eine verantwortliche und gewissenhafte Entscheidung zu treffen. Dabei muß der Frau bewußt sein, daß das Ungeborene in jedem Stadium der Schwangerschaft auch ihr gegenüber ein eigenes Recht auf Leben hat und daß deshalb nach der Rechtsordnung ein Schwangerschaftsabbruch nur in Ausnahmesituationen in Betracht kommen kann, wenn der Frau durch das Austragen des Kindes eine Belastung erwächst, die ... so schwer und außergewöhnlich ist, daß sie die zumutbare Opfergrenze übersteigt.

(2) Die Beratung bietet der schwangeren Frau Rat und Hilfe. Sie trägt dazu bei, die im Zusammenhang mit der Schwangerschaft bestehende Konfliktlage zu bewältigen und einer Notlage abzuhelfen. Hierzu umfaßt die Beratung

a) das Eintreten in eine Konfliktberatung; dazu wird erwartet, daß die schwangere Frau der sie beratenden Person die Tatsachen mitteilt, deretwegen sie einen Abbruch der Schwangerschaft erwägt;

b) jede nach Sachlage erforderliche medizinische, soziale und juristische Information, die Darlegung der Rechtsansprüche von Mutter und Kind und der möglichen praktischen Hilfen, insbesondere solcher, die die Fortsetzung der Schwangerschaft und die Lage von Mutter und Kind erleichtern;

c) das Angebot, die schwangere Frau bei der Geltendmachung von Ansprüchen, bei der Wohnungssuche, bei der Suche nach einer Betreuungsmöglichkeit für das Kind und bei der Fortsetzung ihrer Ausbildung zu unterstützen sowie das Angebot einer Nachbetreuung. Die Beratung unterrichtet auch über Möglichkeiten, ungewollte Schwangerschaften zu vermeiden.

(3) Erforderlichenfalls sind ärztlich, psychologisch und juristisch ausgebildete Fachkräfte oder andere Personen zu der Beratung hinzuzuziehen. Bei jeder Beratung ist zu prüfen, ob es angezeigt ist, im Einvernehmen mit der schwangeren Frau Dritte, insbesondere den Vater sowie nahe Angehörige beider Eltern des Ungeborenen hinzuzuziehen.

(4) Die schwangere Frau kann auf ihren Wunsch gegenüber der sie beratenden Person anonym bleiben.

(5) Ist es nach dem Inhalt des Beratungsgesprächs dem Ziel der Beratung ... dienlich, ist das Beratungsgespräch alsbald fortzusetzen. Sieht die beratende Person die Beratung als abgeschlossen an, hat die Beratungsstelle der Frau auf Antrag über die Tatsache, daß eine Beratung nach den Absätzen 1 bis 4 stattgefunden hat, eine auf ihren Namen lautende und mit dem Datum des letzten Beratungsgesprächs versehene Bescheinigung auszustellen.

9. Bis zu einer Entscheidung des Gesetzgebers über eine etwaige Einführung einer kriminologischen Indikation und deren Feststellung können Versicherte der gesetzlichen Krankenversicherung ... bei einem Abbruch der Schwangerschaft auf Antrag Leistungen erhalten, wenn die Voraussetzungen der Nummer 2 dieser Anordnung vorliegen und der zuständige Amtsarzt oder ein Vertrauensarzt der gesetzlichen Krankenkasse bescheinigt hat, daß nach seiner ärztlichen Erkenntnis an der Schwangeren eine rechtswidrige Tat nach den §§176 bis 179 des Strafgesetzbuches begangen worden ist (sprich: der Arzt muß prüfen, ob die Frau tatsächlich vergewaltigt oder sexuell mißbraucht wurde, d.Red.) und dringende Gründe für die Annahme sprechen, daß die Schwangerschaft auf der Tat beruht. Der Arzt kann mit Einwilligung der Frau eine Auskunft bei der Staatsanwaltschaft einholen und etwa Ermittlungsakten einsehen.